Systemsche Dummheit 5 - Die Sau rauslassen

Am 8.1. ging bei uns die Meldung durch die medien, daß ein Mann seine Frau halb tot geschlagen hat, seine 4 Kinder zwischen 6 und 10 Jahren umgebracht und schließlich durch einen Stich ins eigene Herz Selbstmord begangen hat. Eine Familientragödie. Aber leider kommen solche Tragödien bei uns jedenfalls fast täglich vor. Systemisch gesehen sind das Lösungsversuche unlösbar erscheinender Lebensprobleme und Beziehungskonflikte. Als solche werden sie jedenfalls berichtet. Man könnte sich darüber entsetzen, aber als Entschuldigung anführen , daß es das schon immer gegeben hat, nur sei die Berichterstattung jetzt leichter und weitreichender. Insgesamt betrachtet, passen diese Tragödien in eine Welt, in der Aggression als Lösungsversuch freigegeben ist. Sie ist als solche salonfähig geworden. Es ist auffällig., daß die Krimis im Fernsehen so weit ich es beobachte vfast(?) nur von Mord handeln, der zwar rechtschaffen aufgeklärt wird, aber eine hätte Lösung sein sollen, wenn nicht blöderweise…

Als Lösungsversuch im politischen Feld ist Aggression ja schon lange bekannt, aber nicht in dem Maß, wie es jetzt nicht nur bekannt geworden ist, sondern auch gerechtfertigt wird. Foltern als Methode der Geständnisgewinnung. Selbstverständlich! Auch bei Staaten, die sich als Muster an Zivilsation verkaufen. Interessant ist dabei, daß die Folterer nicht nur den Befehl zum Foltern offenbar Folgen , sondern ihren Spass daran haben, wie die Bilder von Abu Ghraib gezeigt haben und es in Guantanamo und den geheimen CIA Transportflügen zu "Einvernahmen" geschieht. Eine besondere Note dabei ist, daß - in diesem Fall die amerikanischen Bewacher ihre Aggression sexuell verkleiden. Schließlich ist "fuck " im Sprachgebrauch der Amerikaner allgegenwärtig und wird oft als Ersatzwort gebraucht, wenn das passende Wort nicht einzufallen scheint.

Zu dieser Aggression kommt noch die Selbstaggression der Selbstmordattentäter, die als Lösungsversuch wirken soll. Nun man könnte sagen, daß das ja alles Krieg ist. Nicht Krieg ist aber etwa in unserer Stadt Linz, daß Jugendliche Menschen ohne Anlaß niederschlagen, bis zur Bewußtlosigkeit treten und so ihre Spannung abführen. Oder, was aus London über Attacken an Passanten bis hin zur Vergewaltigung gerichtet wird.


Subtiler wird das ganze wenn Aggression zum Verkaufsargument wird. So wird mit dem Energy Drink Shark mit dem Hinweis auf Plakaten geworden, die eine Bißverletzung zeigen, man solle das Raubtier zeigen, das man in sich habe. Man ist dann "gut drauf". Arme diffamierte Raubtiere! Natürlich dient dem auch der Alkohol, nicht umsonst werden die Alkoholabteilungen der Läden immer mehr erweitert, mit dem Argument der Trinkkultur. Der Alkohol ist dann auch "der Schuldige", wenn was geschieht. In Wien nennt man das leicht verlegen lächelnd "a bsoffene 'Gschicht". Und der Schulschluss ist Anlaß zum "Niedersaufen" bis zur Bewußtlosigkeit, "Gaude" bis zum Ende, wie kürzlich ein Fernsehbericht anlässlich des Schulschlusses im Sommer zeigte.


Der Trend geht offenbar in Richtung, den Trieben freien Lauf zu lassen und alles dazu tun, um es zu ermöglichen. Das ist Leben! Da spürt man sich. Bei uns heißt das dann: Die Sau rauslassen. Es geschieht immer mehr und bei immer mehr Anlässen. Daß das Rauslassen der Sau(die sich gegen diese Diffamierung auch nicht wehren kann!) sich auf viele Bereiche auswirkt, ganz besonders dort wo es Stärkere und Schwächere gibt, also um Macht gewinnen und Macht behalten, ohne Rücksichten , Bedenken, oder Skrupel ist offensichtlich. Die Sau hat immer mehr Recht. Das wird als Freiheit angesehen und propagiert. Politisch wird es gerechtfertigt. Und im Bereich der Wirtschaft rechtfertigt die Gewinnmaximierung alles. Für mich erschreckend war die Ankündigung der "Deutschen Bank", sie müsse 32000 Mitarbeiter entlassen. Das sind 32000 Menschen, vielleicht 32000 Familien und wenn es Kinder gibt, so sind es entsprechend viele, wenn vielleicht auch nicht 32000.

Im "Baum der Erkenntnis" ( Scherz Verl.,1987 S. 266ff)schrieben Maturana u. Varela

"Dies ist die biologische Grundlage sozialer Phänomene: Ohne Liebe, ohne daß wir andere annehmen und neben uns leben lassen, gibt es keinen sozialen Prozeß, keine Sozialisation und damit keine Menschlichkeit. Alles, was die Annahme anderer untergräbt - vom Konkurrenzdenken über den Besitz der Wahrheit bis hin zur ideologischen Gewißheit - unterminiert den sozialen Prozeß, weil es den biologischen Prozeß unterminiert, der diesen erzeugt. Machen wir uns hier nichts vor: Wir halten keine Moralpredigt, wir predigen nicht die Liebe. Wir machen einzig und allein die Tatsache offenkundig, daß es, biologisch gesehen, ohne Liebe, ohne Annahme anderer, keinen sozialen Prozeß gibt. Lebt man ohne Liebe zusammen, so lebt man heuchlerische Indifferenz oder gar aktive Negation des anderen.

Zu leugnen, daß die Liebe die Grundlage des sozialen Lebens ist, und die ethischen Implikationen dieser Tatsache zu ignorieren, hieße, all das zu verkennen, was unsere Geschichte als Lebewesen in mehr als 3,5 Milliarden Jahren aufgewiesen hat".

Das Verkennen droht überhand zu nehmen. Das ist systemische Dummheit.