Systemische Rache

Mein Beitrag zu dem Web-Log rückte näher und näher. Ich hatte einen späten Termin gewählt, um mit Muße und Lust schreiben zu können. Eine Woche ohne Kunden, Akquise und sonstige Extras war geplant. Aber, es kam alles anders.


In der Vorbereitung, mal sehen was die Kollegen geschrieben haben, passierte folgendes: Die Woche hatte sich, wie immer, gefüllt mit "unausweichlichen" Terminen. Wenigstens meine neue Schreibtischplatte sollte in der Arbeitsplatznische zu Freude und Spaß an dem Blog beitragen. Gedacht, getan. Nur, die Platte ruschte ohne erkennbaren Grund weg, direkt auf die Kabel der DSL-Verbindung und auf den Router (welche grandioses Gerät, welche Versprechung!, wäre auch außerhalb der virtuellen Welt hilfreich). Beides ruiniert, aber noch kein wirkliches Drama. Also in die Stadt, neuen Router gekauft. Vielleicht hat es einen Sinn. Neuer Router, neue Ausrichtung, neue Ideen. Router angeschlossen, aber er findet den Weg nicht (vielleicht doch kein geeignetes Instrument für mein Leben, dieses Phänomen kenne ich hinlänglich...). Telekom angerufen, technischer Support. In konstruktiven Gesprächen werde ich durch die Untiefen meines PC`s geführt und dann.... wieder nichts. Router findet den Weg nicht in das grandiose World-Wide-Web. Nochmals angerufen, besetzt, Wiederanwahl, besetzt, Wiederanwahl, besetzt, Wiederanwahl, besetzt, dann doch jemand der mein Flehen erhört. Ein paar kleinere Modifikationen, Restarts, Resets und andere Anglizismen und es funktioniert tatsächlich. Der Router routet.


Ein erster Erklärungsversuch:


Natürlich, negative Einstellung erzeugt adäquates Handeln. Paul Watzlawick hätte seine Freude an meinem Fallbeispiel für sein neues Buch "Weitere Case-Studies zu Anleitungen zum Unglücklichsein".


Zweiter Erklärungsversuch:


Systemische Rache. Ich begegne diesem Phänomen bewusst seit einer Ausbildungsgruppe in Wien im Jahr 2003. Das Konstrukt ist hinreichend bekannt in der Praxis, theoretisch allerdings unterbelichtet. Bei Google finden sich nur 923 Einträge zu dieser Wortkombination, während selbst bei "systemisches Motorrad" noch 544 Einträge vorhanden sind. Systemische Liebe hat übrigens 598 000 Einträge.

Dabei ist die Erscheinungsform sehr klar und präzise. In dem obrigen Seminar passierten die unheimlichsten Dinge. Bevorzugungen und insbesondere Eitelkeiten wurden bestraft. Die Trainer und Teilnehmer mit den den "Panoramazimmern" hatten zwar die schönsten Räume, dafür aber kein Warm- und nur Braunwasser. Die intellektuell wertvollsten Beiträge wurden bodennah geerdet durch das plötzliche Erscheinen des Hotelpersonals. Mit der Frage, wer welches Essen wählen wollte, wurde hier eine besondere Rückführung zu Realitäten erzielt (doch erst das Fressen und dann die Moral). Die ernste Symbolik des Stuhlkreises wurde unterminiert durch einen überzähligen Stuhl, der es jedesmal schaffte sich "reinzudrängen".

Dieses Phänomen mit Ausgleichsprinzipien erklären zu wollen, greift zu kurz. Das archaische Element würde damit unterschätzt. Es ist tiefgreifender. Es geht um eine "höhere Macht", vielleicht sogar um Gerechtigkeit. Das würde auch erklären, warum viele Systemiker eine K-Gruppen (Kommunismus, aber auch Katholizismus) Vergangenheit besitzt. Und die Rache des Systems zu erkennen, wird uns helfen, unsere Wirklichkeit anders konstruieren zu können.


Ist die systemische Rache das ausgeblendete Thema der Systemiker? Natürlich, neben dem der Ökonomie. Oder hat uns die positive Konnotation nur weichgespült? Oder geht es ab morgen in eine andere Richtung? Die "Peitschende Weide" auf der X-Organisation könnte ein erstes Anzeichen für den Anfang der Gegenbewegung gewesen sein. Doch nun Schluss für heute, meine Kinder bekommen noch eine Geschichte vorgelesen zur "Kunst des Ver-Hörens". Dazu morgen mehr.