Systemisch archäologisches Tagebuch 7

Am letzten Tag meines Tagebuches angekommen, will ich heute noch ein paar Gedanken zu Therapie als „Archäologie der Hoffnung“ niederschreiben.


Im keltischen Irland wurde der gegebene geografische Raum nicht nur in die vier realen irischen Provinzen unterteilt; es wurde eine fünfte Provinz hinzugedacht, die als Ort des Fiktiven bzw. des „Möglichkeitssinns“ konzipiert wurde.


Therapie als Archäologie der Hoffnung verweist darauf, dass Therapiedialoge der Rekonstruktion oft nahezu vergessener Wünsche, der Freilegung von durch die Zeit und ihre Wunden verschütteten Sehnsüchten und Hoffnungen dienen. Als zentrale Grabungsinstrumente bieten sich hier Wunderfragen bzw. reflexive Fragen an: Mit einem Fragen nach dem „Was wäre wenn“ werden Limitationen des „Wirklichkeitssinns“ vorübergehend außer Kraft gesetzt.


Dass hier der archäologische Spaten auf Mauerreste treffen, dass Therapiesysteme fündig werden, begründet sich im Kontext narrativer Therapietheorie aus der Annahme der Multiplizität menschlichen Beziehungen und menschlicher Persönlichkeit.


Dichter noch als White und Epston umschreibt dies L. Tolstoi: „Die Menschen sind wie Flüsse, das Wasser ist überall gleich, überall dasselbe, aber jeder Fluss ist bald schmal, bald rasch, bald breit, bald still, bald rein, bald kalt, bald trüb, bald warm, ebenso auch die Menschen. Jeder Mensch trägt in sich die Keime aller menschlichen Eigenschaften, und manchmal offenbart er die einen und manchmal die anderen und ist oft sich selber ganz und gar nicht ähnlich, während er doch immer dasselbe Selbst bleibt“ (Tolstoi, 1932, S. 280).


Was wäre gewesen, hätten die Siedler der Oster-Insel ihre Glaubensannahmen transformiert und damit ihre Ressourcen geschont?

Würde die Oster-Insel noch von Palmen bedeckt sein? Würden die moai noch auf ahus stehen, den Blick ins Innere der Insel gerichtet?

Würden die langen polynesischen Ausleger-Kanus der Oster-Insulaner heute den Südpazifik durchkreuzen? Wären sie zu neuen Eilanden aufgebrochen? Wer wären sie, wären sie geworden, was sie hätten sein können?