Symbolische Ordnung

Schreibt doch eine Baden-Badener Privatschule in einem Elternbrief, dass in den letzten beiden Tage vor den Sommerferien ein richtiger Unterricht sowieso nicht stattfinden würde, weshalb die Kinder auch Zuhause bleiben könnten. Natürlich böte man Freizeitbetreuung an für die Kinder, bei denen die Eltern wg. Berufstätigkeit keine Zeit hätten. Gleichzeitig wolle man das Halbjahreszeugnis abschaffen, stattdessen durch ein Eltern-Lehrer-Gespräch ersetzen. Klasse! Die Institution „Schule“, initiiert

von Schulleitung und Lehrerschaft, gibt öffentlich bekannt, dass sie ihre eigene Autorität abschaffen will. Ich habe mich gefragt, warum man nicht den Schülern schon nach der letzten Klassenarbeit freistellt, dem Unterricht fern zu bleiben. Ebenso könnten doch Lehrer und Eltern in einem vertrauensvollen Gespräch sich darüber einigen, ob das Kind das Klassenziel erreicht oder nicht. Im Notfall geben Eltern einen Scheck oder Bares sogleich.


Mit Lacan gesprochen: Das Nein-des-Vaters, welches symbolischen Ordnungen erlaubt zu funktionieren, wird in den letzten Jahren sukzessive in eine double-bind-Struktur eingeschrieben. Dies hat zur Folge, dass Anspruch und Wirklichkeit sich verkehren: Der imaginäre Anspruch (Selbstbild etc.) wird zu Wirklichkeiten umgewertet, während gleichzeitig solche Wirklichkeiten imaginären

Status erhalten. Der einzige Wert, dem man dabei noch „Objektivität“ zugesteht, ist Geld – und dies öffnet Korruption Tür und Tor.

Ich brauche nur morgens die Zeitung aufschlagen (eine veraltete Wendung, denn ich lese außer auf Zugfahrten nur noch online), um von Meldungen erschlagen zu werden, die exakt dem oben beschriebenen Schema entsprechen. Ich bin nur froh, dass bislang die Judikative nur bedingt hierfür anfällig ist. Aber gleichzeitig darf ich seit eineinhalb Jahren erleben, wie ein unfähiger Richter in

einem Sorgerechtsstreit Regel um Regel verletzt, die die Unabhängigkeit eines Richters ausmachen sollten. Mein alter Vater war Richter, und wenn ich ihm das erzähle, ist er nicht nur nicht verwundert, sondern kann mir gleichzeitig von gesetzlichen Änderungen berichten, die das oben Genannte interessanterweise auch für die Justiz bestätigen. Auch dort beginnt ein Wissen um symbolische Ordnungen zu bröckeln.


Ich frage mich nur, wie man einer solchen Entwicklung gegensteuern könnte.