Statik und Dynamik

Fragt man im Zusammenhang mit Fällen der Kinder- und Jugendhilfe (darum geht es in der systemischen Ausbildung in Meilen gestern und heute) nach der Vorgeschichte der Familie, um die es geht, (also: nach der Sozialanamnese), dann ist eine häufig gegebene Antwort, es sei bisher leider keine Zeit gewesen, diese zu erheben. Das ist ungefähr so, wie wenn man einen Architekten nach der Statik eines Hauses fragt und er zur Antwort gibt, die gestalterischen Belange hätten ihn so in Anspruch genommen, dass für die Berechnung der Statik keine Zeit geblieben sei. Im Falles des Architekten wird das Versäumnis meist offenbar: die Hütte wird früher oder später zusammenkrachen. In Beratung und Therapie sind die Folgen dieses Versäumnisses nicht so offensichtlich, und die kausale Zurechnung beim Scheitern ist nicht so eindeutig. Fachleute des Psychosozialen können sich immer auf die Unfähigkeit dere Klientinnen und Klienten, auf ihre solide Abwehr, auf die Ungunst der gesellschaftlichen Verhältnisse (Armut) und dergleichen herausreden, kurz: die Verantwortung externalisieren.


Zum Thema Verwantwortung ist mir in der S-Bahn in Zürich heute früh mal wieder der schöne Anschlag in den Wagen aufgefallen, auf welchem in den drei in der Schweiz hauptsächlich gesprochenen Sprachen steht: Selbstkontrolle (auto controle). Das heisst: die Fahrgäste müssen sich selber kontrollieren. Ich stelle mir das so vor, dass man als Fahrgast aus sich heraustritt, von sich die Fahrkarte verlangt, sich die Fahrkarte zeigt und dann wieder als Fahrgast in sich hineintritt. In der Stadt Zwinglis hat das was Zwingendes.


Auf englisch heisst Selbstkontrolle übrigens: penalty fare area. Das ist eine klare Ansage, man tritt dem

Gesetz gegenüber, ohne vorher aus sich heraus zu treten.