Stammesgesellschaften

Jemen und Afghanistan stehen nicht so sehr für den Islamismus und Al Qaida, sondern für Stammesgesellschaft.


Es ist eine Gesellschaftsform, die sich radikal von der funktionell-differenzierten Gesellschaft, wie wir sie heute im Westen finden, unterscheidet. Deswegen scheitert der Westen bzw. die Politik des Westens auch damit, dort "Nation Building" zu betreiben. Um von der Stammesgesellschaft zur Nation des 19 Jahrhunderts zu kommen - was damit ja gemeint (und wahrscheinlich auch ein Auslaufmodell) ist - müssen erst noch ein paar Entwicklungsstufen durchlaufen werden, von denen man nicht behaupten kann, dass sie wirklich erstrebenswert sind, z.B. die Stufe des Feudalsystems.


Vielleicht sind ja Diktaturen, wie wir sie in Saudi Arabien oder unter Saddam Hussein im Irak hatten, in diesem Sinne zu werten. Ihre gewalttätige Abschaffung durch Intervention von außen zum Zwecke des "System Change" hat funktioniert, allerdings in rückwärtiger Richtung: zurück zu den alten Stammesmodellen, nicht zum modernen Zentralstaat. Wahrscheinlich lassen sich derartige Entwicklungen eben nicht von außen anstoßen. Irritation/Perturbation kann soziale Strukturen und Prozesse immer nur stören, nicht aber positiv definieren. Das ist nun mal bei autopoietischen, strukturderterminierten Systemen so... Man kann von außen Strukturen zerstören, ihr Aufbau muss aber immer als systemeigene Leistung erfolgen. Es gibt keine instruktive Interaktion (Maturana), es gibt aber destruktive Interaktion.


Deswegen wird man die Entwicklungsschritte von der Stammesgesellschaft zur funktional-differenzierten Gesellschaft auch nicht so einfach überspringen können.


Wäre ja interessant zu überlegen, was heute angemessene und realisierbare Zwischenstufen der Entwicklung wären und was wir deswegen zu erwarten haben.