Splitter zum Croissant

Splitter sortieren, Nachtsplitter wie übriggebliebene Sternschnuppen... Im Bistro, spät und verliebt, bißchen viel Rotwein nach einer Phase der Abstinenz, tiefe Blicke und elektrische Finger, inhalierter "American Spirit" (Futter fürs Totemtier!) und am Nebentisch eine Horde von Gymnasiasten (intelligent, sexy, versoffen und freundlich, einfach super!), mit denen ich à tempo über zwei aktuelle Filme zur Gewalt diskutierte ("Dear Wendy" und "Paradise now")...


"Dear Wendy", tjaaaa... Ein Film, der spalten kann. War am Abend zuvor mit einem Freund und Kollegen darin, und hinterher erklärte er, das sei der am stärksten missglückte Film, den er seit langem gesehen habe, während ich meinte, mich habe er ziemlich berührt. Eine Handvoll Jugendlicher (ähnlich wie die Leute am Nachbartisch, von denen eben die Rede war, nur dass sie im Film loser-mäßiger wirken erstmal), die ihre Liebe zu Waffen entdeckt, Handfeuerwaffen, die als Persönlichkeiten behandelt werden, Namen bekommen und bei Gruppenentscheidungen Stimmrecht bekommen. Wie seltsam zu sehen, dass eine Waffe, die zärtlich angesprochen wird, plötzlich seidig-silbrig zu blinken beginnt und eine leuchtende Haut bekommt wie eine Geliebte, der man ein Kompliment ins Ohr flüstert...


Die irre Idee im Film ist die, dass die Jugendlichen eigentlich Pazifisten sind. Trotzdem merken sie, dass das Knarren-Tragen ihr Selbstgefühl päppelt und sie "wachsen" läßt. So entsteht ein seltsamer Spagat, eine scharfe Ethik: Waffen beherrschen und wissen, wie's geht, aber sich zugleich dem Tabu unterwerfen, sie nicht zu ziehen und schon gar nicht auf Menschen zu schießen. Natürlich reißt der Spagat aus, die Ethik bricht, die in Halbstarre gelassenen Waffen beginnen zu leben, werden wachgeküsst, töten endlich doch (im Film wird das Wort "töten" durch "lieben", ersetzt, und also heißt es, als es auf den Showdown zugeht: "Es ist Zeit zu lieben..."), und dann heißt es tot, tot, tot, und dennoch sind sie alle so nett, sympathisch, süß irgendwie und noch im Sterben von jenem individuellen Zauber umzuckert, den ihnen der Zuwachs an Selbstbewusstsein verlieh...


Ah, Monsieur Descartes, Sie auch hier am Tisch! Ihr Schnurrbart sieht ein wenig zerrupft aus, war's heftig letzte Nacht? Ach, Sie meinen, ich verschweige etwas Wichtiges? Stimmt, da war jener seltsame Traum, und ich wusste bis eben wirklich noch nicht, ob ich in einem Tagebuch nun gerade auf meine nächtlichen Träume Bezug nehmen wollte. Hab mich also lieber auf die kollektiven Träume bezogen, die man Filme nennt. Ich sollte nun aber doch, meinen Sie? Nicht zu intim? Sowas hätten doch alle? Na gut, aber nicht alle schreiben öffentlich darüber. Aber sie denken daran? Das mag stimmen. Morgen also, morgen will ich vom Träumen schreiben...