Spiegelneurone

Liebe Leserinnen und Leser,


eigenartig das Bloggen. Der Start am Montag dieser Woche führte zu einer regelrechten Welle von Resonanzen, interessanter Kommunikation über den Jahresanfang. Die guten Vorsätze regten an zum Kommentieren. Gegen Ende der Woche, als es gewissermaßen ziemlich rein schulisch wurde, blieb die Resonanz eher exemplarisch oder ganz aus.


Da frage ich mich als Tagebuchschreiber, was es ausmacht, dass einem manchmal der Kopf schwirrt und sich am nächsten Tag vielleicht die Frage stellt: Liest das überhaupt jemand, interessiert sich überhaupt jemand für meine Gedanken? Aber Herr Simon versichert ja, dass dem so sei und jeden Tag zahlreiche Besucher den Auer-Blog besuchen. Wie schön zu wissen. Vielleicht können Sie, lieber Herr Simon, verraten, wie viele es gestern, am 7. Januar waren. Ich selbst habe bisher seit dem Start im Juni vergangenen Jahres regelmäßig, fast täglich sogar, im Blog nachgesehen, alle Beiträge gelesen und manchmal einen Kommentar abgegeben. Das werde ich ab morgen auch wieder tun. Es ist einfach faszinierend, Einblick in die Gedanken so verschiedener kluger Köpfe zu bekommen, wie das hier in diesem Blog der Fall ist. Die Vielfalt systemischen Denkens und systemischer Arbeitsfelder ist sehr vielfältig.


Gleich werde ich im SWR 2 eine Sendung hören, auf die ich mich schon seit Tagen freue. Professor Joachim Bauer aus Freiburg spricht in der Sendung AULA über die Leistungen der Spiegelneurone. Ich finde, dies ist eine der interessantesten Entdeckungen der Gehirnforschung aus den 1990er Jahren. Anschließend werde ich darüber nachdenken, was das in dem Bereich für die Zukunft bedeuten könnte, in dem ich zu Hause bin.


###Kleine Zellen, große Gefühle###

Herr Bauer hat unter diesem Titel nicht nur einen eindrucksvollen Vortrag gehalten, seine Mitteilungen könnten für viele systemisch-konstruktivistische Experten aufschlussreich sein, die noch nicht sehr mit dem Phänomen der Spiegelneurone vertraut sind. Ich habe mir gleich das Manuskript besorgt. Unter [ (www.swr2.de/wissen) ] können auch Sie es sich abholen und sogar die Sendung im Original noch einmal hören. Mir hilft dabei der RealPlayer, den man für das reine Abhören von Sendungen kostenlos im Internet findet. Das wäre was für Sie, liebe Frau Gaugusch! Für Vielreisende: Der RealPlayer bietet den Zugriff auf weltweit 32000 Radiostationen, dann allerdings gegen eine monatliche Gebühr, dazu viele andere nützliche Funktionen für Mediennutzer. Aber vielleicht erzähle ich Ihnen hier ja reine Selbstverständlichkeiten.


Die Spiegelneurone stellen so etwas wie das neurobiologische Korrelat aller seelischen Vorgänge dar. Allein das ist gewiss schon von großer Bedeutung für die dringend notwendige Überwindung der da und dort noch immer tiefen Spaltung zwischen den Natur- und den Geisterwissenschaftlern in den Menschhelferberufen, insbesondere zwischen den Medizinern und den Psychologen. Von den Lehrern redet in diesen Dingen im Moment kaum jemand. Doch gerade für die praktische Pädagogik könnte das Wissen um die Bedeutung und vor allem der Wirkung der Spiegelneurone einen Quantensprung bringen. Nicht dass man nicht vieles zuvor schon hätte wissen können! Aber es fehlten die Beweise, warum es zur Erziehung nur „Liebe und Beispiel“ (Fröbel) braucht oder warum es so wichtig ist zu „helfen, es selbst zu tun“ (Montessori), von der ganzen Riege der Reformpädagogen aus den Anfangsjahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts und ihren klugen Einsichten ganz zu schweigen. Starke Empathie des Lehrers verleiht den Schülern Flügel. Das ist die Botschaft und nichts weniger. In Zeiten von Bildungsstandards und PISA-Druck wird die Bedeutung der guten Motivation, der Freude am Lernen, des spielenden Lernens usw. leicht vergessen. „Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen“, wusste bekanntlich Goethe. Jetzt hat man die Beweise, warum das so ist.


Ich lege an dieser Stelle den Kehrbesen für den oder die Nächste beiseite, bin gespannt, wer ihn morgen aufnimmt. Diese Woche, die erste im neuen Jahr, hat unglaublich Spaß gemacht. Ich danke all den Besuchern des Blogs in dieser Zeit und natürlich ganz besonders denen, die sich in so netter Weise mit Kommentaren gemeldet haben.


Herzlichst, Horst Kasper