Sommerpause

Meine alljährliche Sommerpause hat begonnen. Das Sommerloch ist da. Alle wollen weg. Raus aus der Stadt, raus aus dem Job. Einfach weg. Irgendwo hin. Erschöpfte Stille breitet sich aus. Wenn ich doch jemanden treffe, erfahre ich, dass sich diese Person so zu fühlen scheint, wie ich. Eine Mischung aus ausgewrungener Badeschwamm und leere Einkaufstüte. Alle bestätigen mir, dass sie heuer aber wirklich eine Pause einlegen müssen. So wie ich. Nicht gleich jetzt, aber bald. Irgendwann in diesem Sommer. Heuer aber wirklich.


In den letzten Jahren erkenne ich das berühmte Sommerloch nur mehr daran, dass einzelne Fernsehsendungen nicht gezeigt werden. Manchmal habe ich den Eindruck, wir schieben dieses Sommerloch wie eine Attrappe vor uns her, damit wir dahinter in Ruhe weiterarbeiten können – wenigstens mit ein bisschen weniger Störungen von außen. Ich stelle mir vor, wie wir alle zu Hause sitzen (hinter unserer Sommerlochfassade) und arbeiten. Genau so viel wie immer, aber irgendwie glücklicher, weil einen nicht so viele Menschen anquatschen.


Ich sitze dann zu Hause und arbeite „noch rasch was ab“. Sachen, die schon das ganze Jahr rumliegen, warten staubbedeckt, still anklagend darauf, dass ich irgendetwas mit ihnen anstelle. Ich persönlich glaube ja, dass alle Menschen, die ich so treffe, so wie ich sitzen und „noch rasch was erledigen“ – damit man dann beruhigt die Sommerpause einläuten kann. In den letzten Jahren allerdings (ich will hier gar nicht nachrechnen wie viele das waren) passierte es oft, dass es – als ich endlich mit dem Aufarbeiten fertig war – Mitte August geworden war, und ich beginnen musste, mich auf meine Aufträge im Herbst vorzubereiten.


Sommerpause ist also eine Zeit, in der ich nicht aktiv beim Kunden und auch nicht mit Schularbeiten oder Lehrerwünschen meiner Kinder beschäftigt bin. Das hieße in der Konsequenz, dass eine Pause eine Zeit ist, in der man mit manchen Dingen weniger stark beschäftigt ist, als mit anderen...


Als Trainerin für Lifeleadership und Burnoutprävention frage ich mich, ob sich da bei mir nicht eine fragwürdige Doppelmoral eingeschlichen hat. Ich bemühe mich in meinen Seminaren, meinen TeilnehmerInnen Lebensbalancemodelle, Salutogenese-Ansätze und einfach „Ausschnaufen“ (wie man bei uns in Österreich sagt) schmackhaft zu machen. Und selbst? Ist das nicht total unglaubwürdig? Warum fällt es denn so schwer, sich eine Pause zu gönnen?


Im Coaching höre ich oft, dass eine Pause ein Stillstand sei und das wäre ein sichtbares Zeichen von unproduktivem und ineffizientem Verhalten. Also ein Eingestehen eines Versagens. Ich frage mich, wohin uns das wohl führt.