Sohnschützer

Ich bin sehr neugierig auf das Schreiben in dieser Woche. Eigentlich - wenn ich mich zurückerinnere - habe ich schon immer sehr viel Tagebuch geschrieben. Bereits als Kind habe ich mir das Schwere meines Lebens von der Seele geschrieben und in der Pubertät sowieso. Schreiben als Entlastungsprozess. Allerdings konnte ich die vielen vollgeschriebenen Hefte zu späteren Zeitpunkten kaum mehr in die Hand nehmen, ohne sofort in einen problemorientierten Bewußtseinszustand zu geraten.


Seit ungefähr 15 Jahren, also seit ich mich sowohl beruflich als auch in meinem sonstigen Leben, vorwiegend mit lösungsorientierten Konzepten beschäftige, schreibe ich anders. Zum einen schreibe ich eher die bereichernden, schönen Erfahrungen, Erlebnisse und Begegnungen auf. Mit schwierigen und belastenden Situationen verfahre ich, anders als früher, indem ich mein systemisch-konstruktivistischen "Know how" schriftlich auf mich selbst anwende. Wie von Insa (Sparrer) empfohlen, stelle ich mir z. B. von Zeit zu Zeit die Wunderfrage und experimentiere damit, wie sich Konzepte auswirken, die ich so gerne meinen KlientInnen anbiete.


Das Schreiben im Rahmen der Kehrwoche, macht sicherlich noch einmal ganz andere Unterschiede. So wird es sicherlich einen Unterschied machen, dass ich bereits jetzt,während ich die Sätze formuliere, im Kopf habe, dass andere diese Aufzeichnungen direkt lesen können.


Was haben nun diese Einstiegsgedanken mit dieser seltsamen Überschrift zu tun? Ich lese viel und gerne skurile Krimis, derzeit von der französischen Autorin Fred Vargas. Auffallend in all ihren Büchern sind die ungewöhnlichen Charaktere und Denkstrukturen der handelnden Personen. In ihrem Buch "Der untröstliche Witwer von Montparnasse" (Auch jetzt am Ende des Buches habe ich noch immer keine Ahnung, was der Titel mit dem Inhalt zu tun hat!) las ich heute morgen als Einstieg in den Tag, folgenden Dialog zwischen einem Hauptverdächtigen und einem Inspektor im Ruhestand:


"Hübsch das Deckchen", sagte Louis.

"Ja."

"Man könnte meinen, handgestickt."

"Das hat meine Mutter gemacht" knurrte der Schnitter und schwenkte sein Messer.

"Damit muss man aufpassen, sehr aufpassen. Es ist ein Sohnschützer."

"Ein Sohnschützer?"

"Bist du taub? Meine Mutter hat für alle ihre Kinder welche gemacht. Das muss jeden Sonntag gewaschen und, wenn es sauber ist, getrocknet werden, wenn du willst, dass es dich schützt."

Denn wenn du das Deckchen jeden Sonntag wäschst, hat meine Mutter gesagt, dann musst du schon mal wissen, welcher Tag gerade ist, und um das zu wissen, darfst du nicht zuviel picheln. Außerdem mußt du dafür aufstehen. Und du mußt heißes Wasser und Seife haben. Und um Wasser zu haben, brauchst du ein Dach über dem Kopf. Und das Dach mußt du bezahlen. Das bedeutet, dass du, nur um das Deckchen sauber zu halten, ganz schön rackern musst, und du kannst dir nicht erlauben, jeden Tag, den Gott macht, mit deiner Flasche in der Hand, Däumchen zu drehen, hat meine Mutter gesagt. Deswegen ist das ein Sohnschützer. Meine Mutter" fügte der Schnitter hinzu und pochte sich mit dem Griff des Messers an die Stirn, "hat alles vorausgeplant."

"Und was ist mit den Töchtern?" fragte Louis.

"Hat sie auch Töchterschützer gemacht?"

Der Schnitter zuckte verächtlich mit den Schultern.

"Töchter schlucken nicht soviel."

"Wäschst du jeden Sonntag deine ganze Wäsche?"

"Das Deckchen reicht aus, um alles zu schützen"