Sociocybernetics

Es regnet im slowenischen Maribor. Der Nachtzug aus München traf ein wenig verspätet ein. Die Konferenz war schon im Gange. Soziokybernetik. Was auch immer das heißen mag. Ein Call-for-Papers hatte mich über die Gesellschaft für Kybernetik erreicht: „Social Innovation“, so das Thema. Ich habe einen Beitrag über „Kulturtechnikfolgenabschätzung“ eingereicht. Er wurde angenommen und nun sitze ich da und lausche, gespannt zu erfahren, was das ist, Soziokybernetik.


Der erste Eindruck: Das ist eine große Familie hier. Viele Großväter mit ihren Töchtern, einige Tanten und Onkels, ein paar verlorene Jungs. Man grüßt sich, man kennt sich oder versucht zu ergründen, auf welchem Familientreffen man sich denn zuletzt oder zuerst gesehen hat. Man herzt sich, man schüttelt Hände und schwellt die Brust im akademischen Small-talk. Man schüttelt auch den Kopf und tauscht konspirative Blicke aus, wenn wieder einer der alten Onkels die immergleiche Geschichte erneut zu erzählen droht. Höflich lässt man ihn gewähren. Ein paar Neulinge stehen umher. Die gehören nicht oder noch nicht zur Familie.


Ich bin einer von ihnen und wirke ein bisschen verloren zwischen all den intensiven Erinnerungen. „Weißt du noch damals in Lissabon? Und wann war das noch mal auf Kreta?“ Zweiter Eindruck: Das ist eine Reisegruppe hier. Sogar in den Pyrenäen war man schon. Und nächstes Jahr findet der Weltkongress in Durban in Südafrika statt. Dazwischen liegen Konferenzen in Waikoloa auf Hawaii, in Prag, in Innsbruck, Hongkong, in Puerto Vallarta in Mexiko, in Kobe in Japan und in einigen Orten, die ich erst auf der Karte suchen müsste. Die entsprechenden „Calls-for-Papers“ sind in den Konferenzunterlagen hinterlegt - alles sehr gut organisiert hier in der Reisegruppe.


Wir sitzen in einem mittelgroßen Seminarraum der lokalen Wirtschaftshochschule. Vorne ein Katheder, eine Tafel, durchgehende Tische mit Klappstühlen. Dritter Eindruck: Das ist eine Schulklasse hier. Einer spricht, die anderen hören zu oder tuscheln, kramen in ihren Unterlagen oder lesen die Konferenzunterlagen, die sie seit Wochen besitzen, zum ersten Mal. Einige haben ihren Laptop aufgeklappt und erledigen E-Mails. Sie könnten auch Zettelchen schreiben. Dem Vorgelesenen kann man gut folgen, wenn man immer mal wieder auf die projektierten Textfolien schaut. Am Ende der Vorlesung sind Fragen erlaubt. Im Zweifelsfall fragt keiner, weil alle in die Pause wollen.


So ist das also bei Soziokybernetikern. Draußen regnet es immer noch. Stuart aus den USA, den ich von der Konferenz der Foundation 2020 in Kroatien kenne knufft mir in die Seite, weil ich mit dem Laptop so laut klappere während ich das hier schreibe, und er möchte gerne zuhören. Hellmut, den ich von der GWS Tagung in Lüneburg kenne, lächelt mir die Szene registrierend onkelhaft wohlwollend zu und deutet an, dass er gerne gleich in der Pause mit mir einen Kaffee trinken möchte. Wir waren vorhin bei der Frage unterbrochen worden, ob ich für Durban im nächsten Jahr noch ein Abstract einreiche. Er würde dann auch zur Konferenz im Herbst nach Greifswald kommen. Geklapper auf den Tischen - die Stunde ist vorbei. Kaffee.