Sind wir nicht alle Fach-Leute?!

In der letzten Zeit führen wir die Diskussion um die Integration, Verknüpfung, Ergänzung, Komplementarität von Fach- und Prozessberatung. Die Begriffsvielfalt und –welt ist groß. Sowohl auf der Konferenz in Augsburg, als auch auf der X-Organisation in Berlin ist das Thema virulent. To put it in a nutshell, für die „großen, systemischen“ Beratungen, und natürlich auch für viele kleine gilt:


Wir wollen, wir können, wir machen!


Die Wurzeln für die „systemische Beratung“ in Organisationen war auch ein Gegenentwurf zur klassischen Beratung. Inzwischen erlebe ich ein ernsthaftes Ringen und Bemühen eine dritte (oder fünfte?) Position zu finden. Diese ermöglicht mehr. Diese beschränkt sich nicht auf „reine Irritation“.


Im „Zentralorgan“ unserer spezifischen K-(onstruktivisten)–Gruppe, der Zeitschrift für Organisationsentwicklung ist der Stand der Entwicklung gut nachverfolgbar. Von „machen wir schon immer“ bis „sollten wir mal ausprobieren“, von „Innovationsprodukt “ bis „alter Wein in neuen Schläuchen“. Und über die (Z)OE hinaus ploppen hier und dort Artikel zu diesem Thema auf. Nicht nur die üblichen Verdächtigen publizieren in den üblichen Journalen bzw. Büchern. Neben sehr hilfreichen Texten, sind allerdings einige dieser Beiträge nur noch mit professionellem Pflichtbewusstsein zu ertragen. Nicht weil das Thema uninteressant wäre. Nicht weil ich es mühsam zu lesen ist, das finde ich bei den Texten von Dirk Baecker auch. Letztere führen aber zu einem hohen persönlichem Erkenntnisgewinn. Da lohnt sich die Mühe wenigstens. Anstrengend, auch auf den Konferenzen, erlebe ich das Marktgeschreie, das Abstecken von Claims, als ob ein Goldrausch ausgebrochen wäre. Dabei geht viel Tiefe verloren.


Eine fundierte Theoriediskussion und Praxisreflexion würde helfen, das Feld zu bestellen. Nur kurz zur Problematik: Das „Schwierige“ an dem Zusammenführen der Ansätze sind meiner Meinung nach gelebte Werte und Haltungen (nicht wirklich erstaunlich!). Die Erscheinungsformen wie z.B. Inhalte, Sprache, Aussehen, Folien sind nicht das wirkliche Problem, (wobei sich hieran abgearbeitet wird). Auf dem Papier sind z.B. Kooperationen mit Fachberatern, als eine Lösungsvariante, einfach. In der Praxis vor dem Kunden ist der Tango dann nicht mehr trivial. Hilfe zur Selbsthilfe versus Wissen als Input ist eines der Widerspruchspaare mit denen wir in der Praxis kämpfen. Kundentermine versus interne Stafftermine ist eine weitere Herausforderung, in der Zusammenarbeit. Und wir sprechen über Grundverständnisse, was wirklich zielführend ist, wo es sehr unterschiedliche Sozialisationen gibt.


Richard Sennett beschreibt in seinem lesenswerten Buch „Die Kultur des neuen Kapitalismus“ den Paradigmenwechsel von dem Ideal einer handwerklichen Einstellung, bei dem es darum geht, eine Sache optimal zu beherrschen, zu der Idee einer Meritokratie, die nicht auf vergangene Leistungen, sondern auf potenzielle Fähigkeiten blickt.


Mal sehen, was dieser Trend auch für die Fach-Prozess-Beratung bedeutet.