Shared Decision Making

Ein kleiner Kongress zum Thema „Shared Decision Making – Partizipative Entscheidungsfindung in der Medizin“ findet statt. Vor dem Nebeneingang einer neuen Medizinischen Klinik soll ein großes Transparent zum Kongress aufgehängt werden, auf dem der Titel der Veranstaltung prangt. Vier Männer in blauen Overalls sind damit beauftragt, das Transparent in etwa 3 Metern Höhe zwischen zwei Säulen anzubringen. „Partizipative Entscheidungsfindung“, denke ich. Der Wind, der um das Klinikum pfeift, erleichtert die Ausführung nicht. Aber den vieren gelingt es in beeindruckend gelassener Weise, ihr Ziel in angemessener Zeit zu erreichen.


Ich kann nicht sagen, ob die vier oder einer oder einige von ihnen wussten, was auf dem Transparent steht, oder ob es sie überhaupt interessiert hat. Es wird auch nicht das erste Transparent gewesen sein, das sie in dieser Weise an seinen Platz gebracht haben. Jedenfalls war damit ihr Anteil an den Entscheidungsfindungen dieses Kongresses vorerst erledigt. (Was ich übrigens bedaure, denn das lässt erwarten, dass der Kongress eher in geordneteren und damit vielleicht erwartbareren Bahnen und damit vielleicht ... verläuft, als möglich gewesen wäre.)


Bis ich einen der vier frage, ob er nicht den Kronleuchter aus schwerem Metall über meinem Büchertisch zum Leuchten bringen könne. Glühbirnen sind drin. Alle in die abgehängte Hallen-Decke eingelassenen, für unsere Zeit so typischen Strahler – an die hundert oder mehr - strahlen, der einzige Leuchter leuchtet nicht. Keiner der Lichtschalter in unmittelbarer Umgebung scheint für ihn gedacht. - „Weiß nicht“, bekomme ich zur Antwort, „der wird von der Zentrale aus geschaltet, hier ist für den kein Schalter da. Ist ja Kunst.“ - Wenn man genau hinsieht, fällt´s wirklich auf. An der Wand hängen drei kleine Plastiken aus dem gleichen Material, aus dem auch der Leuchter gefertigt ist, mit ähnlichen Motiven. Ich halte sie zuerst für Wandleuchten, die auch nicht leuchten, muß dann aber feststellen, dass für Glühbirnen oder andere Leuchtkörper bei denen gar keine Fassung vorgesehen ist. Die Wand ist auf einer Fläche von ca. 6 x 8 Metern - sagen wir ausgestaltet mit etwas Tapetenähnlichem, das die Muster des Kronleuchters und der Wandplastiken wieder aufnimmt. Sieht abwaschbar aus. Ich traue mich aber trotzdem nicht, das Werbeplakat für ein Buch, das ich dabei habe, hier dranzupeppen. Mein Gesprächspartner macht mich auf ein Schildchen aufmerksam, das auf der gelb getünchten Wand daneben angebracht ist: Name des Künstlers, Name des Auftraggebers (Land Baden Württemberg), und: „Entstehungszeit: 1996 – 2001“. – „Na, wenn wir für so ein bißchen so lang brauchen würden“, meint er. – Ich lächle mit ihm und entscheide dabei, dass ich das Plakat hier auch nicht aufhängen kann.


Er wird lebhafter und berichtet: „In einem der langen Gänge hier ist auch ein Kunstwerk zu sehen. Zwölf Dachlatten, grün angestrichen, in Abständen an die Wand angebracht. Heißt „FOREST“. Kunstwerk. Hat 30.000 Euro gekostet. Zwölf Dachlatten hätte ich denen auch verkauft für 30.000 Euro, dafür hätte ich sie sogar auch angestrichen.“- Ich überlege: Gesichter und Fratzen in Holztüren, Tierfiguren und andere Bilder in Wolken, Frontpartien von Autos und Mienenspiel, und so weiter und so weiter. - Ich überlege weiter: Was hätte man für den Titel „DACHLATTEN, GRÜN“ gekriegt? - Oder vielleicht sogar: „DACHLATTEN, GRÜN: RE-ENTRY OF NATURE“. Die Dachlatten übern Kopf? Es fiele mir nicht leicht, designzusehen.