Seitenwechsel

Es gibt ein Projekt - ich glaube, es nennt sich "Seitenwechsel" -, bei dem systematisch Rollen gewechselt werden, um für die Horizonterweiterung der Rollenwechsler zu sorgen. Da werden z.B. Topmanager für einen Tag als Betreuer in ein Obdachlosenheim geschickt oder in eine Kinderpsychiatrie usw. Das ist gut, damit sie die Bodenhaftung nicht verlieren, und das tut den Firmen gut, in denen diese Manager arbeiten...


Es gibt aber noch ein anderes Programm desselben Namen, bei dem systematisch Mitarbeiter aus der freien Wirtschaft in Ministerien geschickt werden und dort, zum Beispiel, Gesetzentwürfe formulieren. Die Idee dabei war angeblich, die Expertise der freien Wirtschaft für die Verwaltung zu nutzen...


Ergebnis ist aber, dass Lobbyisten, die weiter von ihren Unternehmen bezahlt werden, Gesetzesvorlagen formulieren, die dann ihre eigenen Firmen betreffen. Das erweitert zwar auch den Horizont, aber wohl eher den der Lobbyisten - nicht nur im Blick auf ihre Erfahrung, sondern auch auf ihren Einfluss. Das ist nicht nur nicht gut, sondern schlecht. Denn es widerspricht den Prinzipien der Gewaltenteilung. Interessenkonflikte werden in unserer parlamentarischen Demokratie prozedural so gelöst, dass sie in Szene gesetzt werden und - z.B. im Parlament oder vor einem Gericht - in die Kommunikation gebracht und nach formalisierten Regeln ausgehandelt werden. Wenn die Grenze zwischen den beiden unterschiedlichen Seiten des Konfliktes aufgelöst wird und die Lobbyisten die Gesetze schreiben, dann bricht das System zusammen.


Ausgedacht hat sich das alles Otto Schily als Innenminister. Eine seiner eher merkwürdigen Ideen.