Schwarzfahren in Berlin

Gestern habe ich an einem Kunstprojekt teilgenommen, in dessen Verlauf mein Gesicht (inkl. Bart, Lippen, Ohren, Hals...) vollkommen schwarz (=pechschwarz) angemalt wurde.


Da am Ort des Geschehens die Möglichkeiten sich zu waschen nicht sehr attraktiv waren, beschloss ich zu der mir nächst verfügbaren Dusche in einem anderen Stadtteil zu fahren. Dazu musste ich die S-Bahn benutzen.


Die erstaunliche Erfahrung dabei war, dass kein Mensch von mir Notiz nahm (d.h. natürlich: nicht mal so habe ich das geschafft). Kein Lächeln, kein Stirnrunzeln, kein Wort. Eventuell ein flüchtiger Blick, aber auch der nur ausnahmsweise und dann von japanischen Touristen.


Das ist es, glaube ich, was Berlin so interessant macht. Man fällt nicht auf, der Spielraum für Abweichungen ist deshalb ziemlich groß, kein Schwein schert sich darum, wie man lebt. Und deshalb kann man sich auch rot oder grün oder schwarz anmalen, ohne dass dies irgendwie gesellschaftlich sanktioniert würde (zumindest kurzfristig).


Mir selbst ist diese Gleichgültigkeit meinem Schwarzaussehen erst zu Hause aufgefallen. Denn während der Fahrt hatte ich das ganz vergessen (man sieht sich ja nicht). Erst der Blick in den Spiegel und die Mühe der Entfärbung hat mir vor Augen geführt, wie ungewöhnlich die Nicht-Reaktion meiner Mitmenschen war.


Die Anonymität einer richtigen Großstadt = die Freiheit, die man da genießt: Berlin eben.