Schwarze (Hypno-)Systemik

Fritz Simon hat mal sinngemäß nach meiner „Höre“ in einem seiner Seminare gesagt, man könne mit dem systemischen Handwerkszeug sowohl die Organisation eines Wohltätigkeitsvereins als auch die eines Konzentrationslagers effektiver gestalten.


Betrachtet man den Nationalsozialismus unter systemischen Gesichtspunkten, dann kann einem das kalte Entsetzen als „biophiler“ Systemiker kommen: In der Praxis des Nationalsozialismus finden sich praktisch alle wesentlichen Verfahrensweisen, welche die „moderne“ Systemische Beratung auszeichnen – allerdings ins Negativ gewendet, deshalb spreche ich von „Schwarzer Systemik“:

- Rituale (Fackelaufzüge, Massenveranstaltungen, Sonnwendfeuern, Ahnenverehrung etc.)

- Metaphern und Symbole (z.B. das „tibetanische“ Hakenkreuz – nach Wilhelm Reich Symbol des Lebens, das zwei beim Geschlechtsakt befindliche Personen stilisiert)

- Narrative (von einem auserwählten Volk)

- Mythologische Bedeutsamkeitsgebung

- Anregung von Trance-Zuständen durch ritualisierte Veranstaltungen

- Sich aufgehoben und geborgen fühlen (in der „Volksgemeinschaft“)

- Zielvisionen um nur einige zu nennen.


Vor kurzem fiel mir ein Buch in die Hände „Hitler in Pasewalk“, das ziemlich stichhaltig belegt, dass Hitler, der wegen einer „hysterischen“ (meint psychosomatischen) Erblindung ausgelöst durch einen Giftgasangriff im 1. Weltkrieg von dem Psychiater Edmund Förster mit Hilfe von Hypnose, die Ericksonschen Maßstäben gerecht wird, „erfolgreich“ behandelt wurde. Förster diagnostizierte Hitler als „Psychopath mit hysterischen Symptomen“ und utilisierte seinen Größenwahn: „Ich konnte versuchen, durch eine ingeniöse Verkupplung seiner zwei Leiden mit seinem Geltungstrieb, seinem Gottähnlichkeitstrieb, seiner Überenergie einen Weg zu finden, ihn von seinen Symptomen zu befreien.“ Förster scheint Hitler suggeriert zu haben, er könne wie Gott Wunder bewirken und sich selbst sehend machen. Vielleicht auch dass Deutschland einen Menschen wie ihn brauche (vgl. Horstmann, Bernhard. Hitler in Pasewalk. Die Hypnose und ihre Folgen. Düsseldorf: Droste Verlag 2004, S. 82ff), um es zu „erwecken“. Die Hitler zugeschriebene hypnotische Wirkung könnte damit von dieser Hypnose zumindest verstärkt worden sein.


Diese ganzen Zusammenhänge entschuldigen nichts, die Täter/innen sind voll und ganz verantwortlich für ihre Taten, sie bleiben Täter. Doch weisen sie darauf hin, dass bei jedem therapeutischen Verfahren nicht der Erfolg das alleinige Kriterium sein kann, sondern ebenso die in ethischer Hinsicht „guten“ Ziele. Wer weiß, welchen Lauf die Geschichte genommen hätte, wäre Försters Hypnose nicht erfolgreich gewesen?