Schröders Roadshow

Ich habe mich entschlossen, heute Abend mal wieder ausnahmsweise den Fernseher einzuschalten. Das so genannte "Fernseh-Duell" ist doch zu reizvoll. Irgendwie liegt Länderspiel-Stimmung in der Luft. Neben dem Show-Down im Kämmerlein eine Riesenhalle mit Journalisten und Politikern. Die Medien feiern sich selbst. Es ist ein bisschen so, als würde die Kanzlerin heute schon gewählt. Inklusive Zuschauerprognosen und dem Versprechen, sofort nach der Sendung eine repräsentative Umfrage zu veröffentlichen - mit den ersten Hochrechnungen der Ergebnisse. Schwupps - taucht auch schon eine dieser wunderbaren farblich abgestimmten Grafiken auf, die wir aus den Wahlstudios kennen.

Und schon geht's los. Und da wir heute schon beim Thema Körper sind, lässt sich ja heute mal beobachten, wie die Kandidaten ihre Körper einsetzen.


Bei Schröder ist die Anspannung zu spüren, wenn er zuhören muss. Sobald er ins Reden kommt, entspannt er sich und kommt ganz gut 'rüber. Er argumentiert als jemand, der das Geschäft kennt, von dem er redet. Er moduliert seine Stimme, mal werbend, mal ironisierend, mal mahnend, mal bekräftigend oder witzig, seine dabei gezeigte Mimik ist überwiegend stimmig, abwechslungsreich und dadurch auch eher glaubwürdig. Über weite Strecken kann er auf seine Fähigkeit vertrauen, auf eine Weise zu sprechen, als sei er mit dem Zuschauer alleine im Raum. Da, wo ihm das nicht gelingt, greift er auf seine Notgeste zurück, die von unten hochgezogene und dann nach außen gedrehte rechte Hand - bis er sich wieder frei gesprochen hat.


Angela Merkel scheint gerade das nicht zu können. Sobald sie angesprochen wird, wird deutlich, dass sie sich der Tatsache bewusst wird, dass sie im Moment von Millionen beobachtet wird. Reflexartig gehen ihre Hände in Prediger-Manier von unten nach oben, von innen nach außen, wahrscheinlich von dem Wunsch begleitet, Kontrolle über ihre Körpersprache zu bekommen. In der Argumentation fängt sie aber schnell an zu fuchteln. Ähnlich fahrig sind oft ihre Sätze, die sie manchmal gar nicht abschließt. Ihre Mimik ist bemüht kontrolliert, entgleist aber schnell, wenn sie nachdenken muss. Sie lächelt, wenn sie den Kanzler zitieren oder eine spürbar auswendig gelernte Wahlkampf-Floskel anbringen kann. Wenn sie sich mit der Kritik ihres Kontrahenten beschäftigt, gehen Kinn und Mundwinkel noch mehr als sonst nach unten und strahlen Beleidigtsein aus. Und was die Stimme betrifft, so finde ich, dass Christoph Schlingensief das kürzlich in einem Interview gut charakterisiert hat: sie hat im Unterschied zu den meisten anderen PolitikerInnen nur eine einzige. Etwas leiernd, monoton, wenn sie versucht, Dramatik in die Stimme hinein zu legen, wirkt es künstlich. Nur an manchen Stellen ist das anders, nämlich dann, wenn bei ihr ein frecher, polemischer Ton hineinkommt, den sie sich aber viel zu wenig erlaubt. Meistens langt es nur für die Stimme einer beleidigten Klassenpetze, auch wenn sich das im Laufe der Sendung etwas bessert. Dass sie lange Ministerin war, kommt nicht wirklich rüber. Immer wenn sie programmatisch wird, watet man spürbar im Nebel.


Am Ende gibt es einen Händedruck der beiden, bei dem Merkel dem Blickkontakt von Schröder ausweicht. Eine Minute später wird in einer ersten Umfrage festgehalten, dass alles im großen und ganzen so abgelaufen sei wie erwartet, aber Merkel mehr geboten habe als gedacht. Schröder erscheint glaubwürdiger und sympathischer, Merkel liegt bei der Frage vorne, wer mehr Arbeitsplätze schaffen könne (passt irgendwie nur bedingt zu den ersten beiden Punkten). Da ich mich daher nun zur Mehrheit der Zuschauer rechnen darf, die Schröder glaubwürdiger und sympathischer finden (auch wenn ich beide nicht wählen werde), gleichzeitig aber natürlich - aus Sympathiegründen - affektiv vorbelasteter Beobachter bin, wie das in diesem Fall wohl für die meisten Beobachter gilt, wird jeder anderes beobachten. Vielleicht gibt es ja hier noch von ganz anderen Sichtweisen zu berichten.


Wer das nicht in diesem Blog tun will, kann seine Wahrnehmung auch ganz spielerisch anderswo einbringen, z.B. auf der Internet-Seite meines alten Freundes und Kommilitonen Ulrich Sollmann, Experte für Körpersprache von Politikern, nämlich der [Charisma-Kurve](http://www.charismakurve.de).


Ob das alles überhaupt relevant ist, bleibt allerdings die große Frage. Im Moment outen alle anwesenden Politiker sehr mutig, wen sie sympathischer und glaubwürdiger fanden, überraschenderweise mag man die eigenen Kandidaten lieber…