Schlusspunkt

Ist die Welt jetzt nach der Hinrichtung Saddam Husseins besser oder schlechter geworden? Wohl kaum. Geht mir der Tod des Dikators nahe? Kann man nicht sagen. Macht die Hinrichtung überhaupt einen Unterschied? Das denke ich schon. Bedenkenswert finde ich vor allem die Hast, in der das Verfahren und der Vollzug der Todesstrafe vorgenommen wurde. Offenbar ging es nicht darum, Licht ins Dunkle zu bringen und die zahlreichen Verbrechen Saddams während seiner Regierungszeit aufzuklären. Es wirkte eher wie der Versuch einer schnellen Beseitigung von Beweismitteln. Das Schreckensregime Saddam Husseins kann nur in einem langwierigen Prozess ausreichend aufgearbeitet werden, in dem auch der größere zeitgeschichtliche Kontext angemessen berücksichtigt wird, vor allem die Rolle der USA, die Saddams Irak lange Jahre gegen den Iran zur Großmacht ausgerüstet hat, ohne sich um die Unterdrückung der irakischen Bevölkerung groß zu kümmern. Womöglich hätte Saddam dazu ein paar interessante Dinge zu sagen gewusst. Wahrscheinlich hätte solch ein Prozess nur in Den Haag geführt werden können. Aber das Interesse daran, Gewalt und Terror zivilisatorisch zu bewältigen, und dafür die nötigen Mittel zu Verfügung zu stellen, war und ist bei den Protagonisten nicht vorhanden. Insofern sind Saddam Hussein und George W. Bush Brüder im Geiste, die auf den Vollzug einer Todestrafe in erster Linie mit Genugtuung reagieren - nur dass es diesmal einen von ihnen selbst getroffen hat.


So geht das Jahr nun zu Ende, ohne begründete Aussicht, dass das nächste Jahr dieses Jahrtausends besser werden könnte.

Jetzt schon tauchen aber völlig unerwartete Probleme auf. Und wer macht uns darauf aufmerksam? Richtig: die Gesellschaft für deutsche Sprache. Unser Jahrzehnt ist namenlos, und das schon im siebten, fast achten Jahr. Und wenn wir nicht schnell daran etwas ändern, werden wir in wenigen Jahrzehnten gar nicht von unserer jetzigen Gegenwart sprechen können. Da haben wir den Salat: eine echte Wortschatzlücke. Der Spiegel berichtete online am 29.12.: „Schon 2000 ahnte der Wissenschaftler Dieter Herberg die Probleme bei der Namensfindung für das anbrechende Jahrzehnt. In einem Artikel für das Institut für Deutsche Sprache in Mannheim listete er Vorschläge auf: ,Die nulliger/nulligen Jahre, die Nullerjahre, die Nuller, die Einzigerjahre, die Einerjahre, die Vorzehner, die ersten Zehner, die Deziger, die hunderter Jahre‘.“ [Die Leser durften - schon wieder einmal - wählen](http://www1.spiegel.de/active/vote/fcgi/vote.fcgi?voteid=4095&x=40&y=1) und haben sich mehrheitlich für „ULF“ entschieden, mit 25,69 %. Auf Platz zwei kamen die „Zweitausender“ mit 20,3 %, auf Platz drei „Das Jahrzehnt braucht keinen Namen“ mit 20,03 %. Was die bedeutsame Frage aufwirft, wer den Vorschlag „ULF“ gemacht hat. Ein Spiegel-Redakteur? Oder gar ein Sprachforscher? Vielleicht warten wir einfach mal ab und überlassen es der Sprache selbst, wie wir in ein paar Jahrzehnten über die ersten 20 Jahre des Jahrhunderts sprechen werden. Wie haben wir das eigentlich im letzten Jahrhundert gelöst? Ich meine mich zu erinnern, dass vom ersten oder zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gesprochen wurde. Braucht ein Jahrzehnt wirklich einen Namen?


Andererseits bieten sich hier natürlich auch einmalige Gelegenheiten. Schließlich kann man ein unbenanntes Jahrzehnt auch als eine Art Werbefläche betrachten - besser noch: unter Patentschutz stellen. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Z.B. könnte sich doch Google mit seinem Werbeumsatz von 6 Mrd. Dollar die Namensrechte auf das Jahrzehnt sichern: „the google years“ - und dann womöglich einzelne Jahre untervermieten, z.B. an die Telekom (das ist die originelle Telefonfirma, die ihre Kunden damit verliert, dass sie die Monitore von Internet-Usern mit bildschirmgroßen Anzeigen zutapeziert, die man nur mit Mühe wegklicken kann). Alles besser als die „Nullerjahre“ - da fällt einem womöglich nur das weltpolitische Personal des Jahrzehnts ein.


Da es sich hier um den letzten Kehraus des Jahres handelt, wünsche ich allen Leserinnen und Lesern des Carl-Auer-Blogs sowie den Herausgebern und AutorInnen einen guten Rutsch ins neue, noch unbenannte Jahr, verbunden mit den besten Wünschen für 007 (ist doch ein schöner Name für ein Jahr :-)).