Schlichtung

Wer gestern im Fernsehen Zeuge der Geisslerschen Stuttgart 21-Schlichtung wurde, konnte sich (zumindest in der Tendenz) eine Meinung über dieses Projekt bilden. Sicher war die Problematik nicht fundiert in allen Details zu erfassen, aber dem inhaltlich bis dahin Unbelasteten (wie mir) hat sich doch gezeigt, wie windig die ganze Argumentation der Befürworter ist. Wer zum anderen sieht, wie die Bahn ihre Projekte ohne jede Rücksicht auf die Interessen der Nutzer durchzieht (siehe Abkoppelung des Bahnhofs Zoo in Berlin), wird keinem Bahnexperten mehr seine abstrakten Berechungen, die z.B. mit Standzeiten von 1 Minute kalkulieren etc., glauben.


Für mich ist seit gestern jedenfalls klar, dass es nicht im Interesse der Allgemeinheit ist, diesen Bahnhof so wie geplant zu bauen. Dass es Partikularinteressen gibt, bezweifle ich hingegen nicht eine Sekunde, schließlich muss ja irgendwer das Projekt durch die Gremien gepeitscht haben.


Die Kosten-Nutzen-Rechnung für den Totalumbau einer Stadt muss auf jeden Fall mehr als ein paar Minuten Zeitgewinn einschließen. Hinzu kommt, dass, wenn man den Gegnern glauben kann, in den Spitzenzeiten des Berufsverkehrs die Kapazität des Bahnhofs sogar noch reduziert wird, d.h. dass er für die Nutzer Nachteile bringt (- der typische Bahnhof-Zoo-Effekt von Renommierprojekten).


Doch gestern ging es nicht um eine Schlichtung. Denn dass die ganze Veranstaltung im Fernsehen zu verfolgen war, ist eher als subversive Aktion von Heiner Geissler seinen alten Parteifreunden gegenüber zu verstehen. Durch die von ihm geforderte totale Transparenz wird sich der Widerstand gegen Stuttgar 21 aller Wahrscheinlichkeit nach nicht verringern, sondern auf neue Kreise, die sich bislang kein eigenes Urteil gebildet hatten, ausweiten.


Daher mein Kompliment an Geissler: Wahrscheinlich wirklich eine politische Großtat, die den Stil, wie in Zukunft solche Projekte geplant und beschlossen werden, verändern wird.


Noch etwas: Der Tübinger Oberbürgermeister, der als ein Sprecher der Gegner fungierte, dürfte in Zukunft in der deutschen Politik eine größere Rolle spielen. Seinen Namen sollte man sich merken (was ich leider nicht getan habe).