Scheißfreundlichkeit

Ich habe immer mal wieder Telefonate, bei denen ich mir die Frage stelle, ob mein(e) Gesprächspartner(in) mich für bekloppt hält.


Es geht dabei gar nicht um die Inhalte, sondern allein um die Form. Ich habe (man hat - ich denke, das ist verallgemeinerbar) dann einen Menschen am Apparat, der von einer überschwenglichen Freundlichkeit ist, die mir vollkommen unangemessen erscheint. Ich weiß genau: So viel Freundlichkeit verdiene ich auf keinen Fall - und wenn, dann wüßte es der Mensch am anderen Ende der Leitung sicher nicht.


Es ist alles nur aufgesetzt, nur Fassade.


Man findet solch ein Verhalten (nicht nur am Telefon) bei Maklern, die einem Schrottimmobilien verkaufen wollen, bei Staubsaugervertretern, bei Leuten, die offenbar bereit sind, einem Bauern eine Melkmaschine zu verkaufen und die einzige Kuh dafür in Zahlung zu nehmen.


Offenbar lernt man das heute, wenn man irgendwo im Vertrieb tätig sein will. Ich persönlich halte das für extrem unprofessionell. Denn auch der letzte Idiot merkt, dass diese Art der Freundlichkeit nicht ihm gilt. Sie zeigt, dass der- oder diejenige keine Ahnung hat, wie menschliche Kommunikation funktioniert. Denn diese Scheißfreundlichkeit ist eine Form der Beleidigung. Derjenige, der sich so zeigt, signalisiert, dass er den anderen nicht ernst nimmt. Wenn alle so scheißfreundlich behandelt werden, dann macht das eigene Anliegen offenbar auch keinen Unterschied.


Wer sich so verhält, zeigt, dass er den anderen für so blöd hält, dass der nicht merkt, dass er einem "am Arsch vorbei geht".


Ärgerlich, finde ich. Aber doch häufiger als man vermuten sollte. Da lobe ich mir die Berliner Grobheit. Die ist wenigstens glaubhaft. Und sie ermöglicht die - sensationelle, weil seltene - Erfahrung, dass man unerwartet manchmal doch eines freundlichen Wortes bedacht wird. Welch Glück! Und dann ja auch meist verdient.