Sabine Christiansen

Noch ganz erfüllt bin ich von der emotionalen Diskussion gestern Abend bei Sabine Christiansen. Es ging um soziale Verantwortung. Außer Herrn Kauder, dem neuen Generalsekretär der CDU, und dem Focus-Chef waren nur Leute da, die sich irgendwie als Linke definierten. Es wurde richtig emotional... das geschieht ja meist, wenn es um Fragen der persönlichen Identität und die Rettung des Vaterlands geht.

Das einzig beruhigende Element war Herr Kauder, dessen Beiträge sich auf die zuverlässige Wiederholung des Satzes „Sozial ist, was Arbeit schafft“ beschränkten. Das erinnerte sehr an den vor einigen Jahren in der Zeitschrift Titanic publizierten Vorschlag zur Lösung des Welthungerproblems: „Einfach mehr spachteln!“


Die vermeintlich Linken (Grün, SPD, WSAG) überführten einander unverzeihlicher Fehler, wenn auch jeweils anderer (und alle hatten wahrscheinlich recht).


Mir schien die ganze Diskussion etwas Geisterhaftes zu haben: Zurück in die Zukunft, d.h. die alte Rechts-Links-Unterscheidung, Steinzeitsozialismus oder Steinzeitkapitalismus. Und so hörten sich die verschiedenen Lösungsideen auch an: Entweder der unsichtbaren Hand des Marktes die Regelung überlassen, oder den fürsorglichen Staat das alles regeln lassen. Aber diese Alternativen stimmen ja hinten und vorne nicht mehr.


Was mich persönlich deprimiert – hysterisches Lachen –, ist, dass ich von keinem unserer gegenwärtigen Politiker erwarte, eine angemessene Politik zu betreiben. Schröder und Fischer haben ihre Chance verpasst, Gysi und Lafontaine – oh ewige Jugend! – gründen eine neue Protestpartei, und Frau Merkel umgibt sich mit Männern, die keinerlei Hoffnung vermitteln. Ein schlüssiges Konzept hat leider keiner. Das könnte natürlich die Systemtheorie liefern. (Solch ein Internet-Tagebuch verführt offenbar dazu, sich als ekelhafter Besserwisser zu outen...). Der einzige Lichtblick ist Angela Merkel, denn sie hat bewiesen, dass auch radikale Veränderung möglich ist: Ihre neue Frisur symbolisiert, dass es in Deutschland doch ein gehöriges Veränderungspotential gibt, wenn nur der Leidensdruck hoch genug ist. Sie ist offenbar in der Lage, wohlgemeinten Rat anzunehmen...