Richtige Heiligenscheine

In einem der letzten Blogs, als es um Heilige und ihre Neonröhren ging, fragte ein Kommentator, woraus denn richtige – d.h. echte – Heiligenscheine bestehen. Eine Frage, die mich seither nicht mehr loslässt.


Auf Bildern sehen sie ja immer aus wie Scheiben. Und bei Skulpturen erscheinen sie als eine Art Frisbee, als Teller, der klar begrenzt ist und aus Stein, vorzugsweise Marmor, ist. Manchmal, wenn die Skulptur aus Bronze gegossen ist, dann findet man sie auch als Ring (wie bei den Neonversionen), an denen im Einzelfall Sterne befestigt sind, die sich auf einer Umlaufbahn um den heiligen Kopf zu befinden scheinen.


Die Tellerhaftigkeit und Kreisförmigkeit lässt mich die erste, nahe liegende Antwort, der Heiligenschein sei einfach ein Schein – d.h. ein Licht, das vom Kopf des jeweiligen Heiligen ausgeht (wie von einer Glühbirne) – verwerfen. Denn Licht würde ja nicht am Tellerrand aufhören zu leuchten. Selbst wenn man die Frage, ob Licht die Charakteristika von Welle oder Partikel besitzt, zugunsten der Partikel beantwortet, sind diese Partikel bei Licht doch – nach meiner Erfahrung - nicht so fest gekoppelt, dass sie dem Beobachter teller- oder ringförmig erscheinen würden oder könnten.


Diese eher naturwissenschaftlichen Unterscheidungen bringen mich – ich bin ja kein Physiker – schnell an meine Grenze.


Konstruktivistisch betrachtet, ist wahrscheinlich die Schein-Sein-Unterscheidung nützlicher: Beim Heiligenschein geht es um das relativ komplexe Verhältnis von Schein und Sein. Der Heiligenschein steht für das Heiligsein. Da man das Heiligsein nicht direkt beobachten kann, muss man sich mit der Beobachtung des Scheins des Heiligen zufrieden geben bzw., wenn man Heiligkeit zeigen will, dann muss man eben für den richtigen Schein sorgen.


Das entspricht ja auch der Lebenserfahrung. Ziemlich schnell kommt man dann zu dem Schluss, dass man immer nur Scheinheiligkeit beobachten kann.


Aber offenbar reicht es ja, wenn Heiligkeit wahr-scheinlich (= schein-wahrlich) ist...


Eine weitere, eher soziologische Variante der Bedeutung des Heiligenscheins ergibt sich aus der Praxis der katholischen Kirche, Menschen heilig zu sprechen. Ein kommunikativer Akt, der alle Merkmale des performativen Sprechaktes bzw. des Übergangsrituals aufweist, durch das die Identität eines Menschen (von nicht-heilig zu heilig) verändert wird. Das ist vergleichbar mit Prüfungen, bei denen man ein Zeugnis erwirbt. Beispiel: Führerschein. Der Heiligenschein – wie immer man ihn erworben haben mag – berechtigt zum freien Eintritt ins Himmelsreich und einen privilegierten Platz (von wo man besser sehen kann und besser gesehen wird) an der Seite des Herrn.