Reflexionen (2)

Unter dem Blickwinkel der Seele ergab sich für mich eine weitere besondere Situation am Freitag Nachmittag. Wir befinden uns mitten im Gespräch über Innovation. Wir hatten zum Einstieg darüber gesprochen, welchem Innovationsbedarf wir gegenüber stehen und weshalb Innovation für uns selbst, unsere Teams und unsere Organisationen von Bedeutung ist. Wir hatten diskutiert, was wir loslassen sollten, um Innovation möglich zu machen und haben im Plenum diejenigen Ideen gesammelt, die für uns persönlich die größten Herausforderungen darstellen. Ich hatte den Einstieg in die nächste Gesprächsrunden versäumt, weil ich ein Interview mit Juanita und David begleitet habe.


Als wir den Ballsaal betraten, sprachen die Teilnehmer über ihre Träume: »What could be possible if we fully invite innovation into ourselves, our teams, and our organizations? Was wäre möglich, wenn wir in uns selbst, unseren Teams und Organisationen Innovation vollständig einladen würden?« Die Gespräche waren gedämpft, die Stimmen leiser als sonst, die Aufmerksamkeit sehr hoch. Es lag eine besondere Atmosphäre in dem Raum. Ich fühlte mich an Menschen in einer Kathedrale erinnert, die gemeinsam Andacht halten. Der alte Klang der großen Glocken des Freiburger Münsters, die mehr als den äußeren Körper bewegen. Mir ging eine Erinnerung aus Paris durch den Sinn, als ich während einer Kongresspause Notre Dame besuchte. Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt, und gerade als ich mich auf die Stille eingestimmt hatte, setzte der Chor ein. Es war, als würde eine gewaltige Woge aus Klang die Kirche in Schwingung versetzen. Stimmen. Stimmung. Stimmigkeit. Der Klang von Worten. Der Klang der Stille. The sounds of silence.


In diesem Moment im Ballsaal habe ich etwas von dem tieferen Sinn des World Café Mottos erfasst: Gespräche, die bewegen. Ich habe in den letzten Tagen Ober- und Untertöne dieses Mottos erfahren. Die Kunst im Design der World Café Gespräche besteht darin, einen äußeren und inneren Raum zur Verfügung zu stellen, in dem die Stimmen aller Anwesenden Gehör finden und Gespräche ihren vollen Klang entfalten können. In jeder einzelnen Teilnehmerin, in der Gemeinschaft und über die Veranstaltung hinaus.


Am vergangenen Dienstag bin ich Juanita Brown und David Isaacs zum ersten Mal begegnet. David begrüßte mich mit einer Frage: »Wie würdest Du Freunden erklären, worum es bei World Café geht?« Ich antwortete: »Stelle mir die Frage am Sonntag wieder, dann kann ich sie beantworten.« Eben habe ich eine Antwort auf Davids Frage gefunden: World Café ist die Kunst, äußere und innere Räume zur Verfügung zu stellen, in denen Gespräche ihren vollen Klang entfalten können, und zwar dadurch, dass den Stimmen aller Anwesenden Gehör gegeben wird und dass die Teilnehmer in ihrem ganzen Menschsein in die Gespräche eingeladen werden. Dadurch werden World Café Dialoge zu Gesprächen, die bewegen.


(Fortsetzung folgt)