Rating-Agenturen

Alle haben Angst vor den drei großen Rating-Agenturen. Wie konnten sie solch eine weltweite und nahezu unbegrenzte Macht gewinnen? Und wie konnten sie sie bewahren, obwohl ihre Fehleinschätzungen zur Weltfinanzkrise 2007/2008 geführt haben?


Hintergrund scheint mir - wieder einmal - das merkwürdige US-amerikanische System zu sein, dass obrigkeitliche Funktionen privatisiert und damit den Regeln der Wirtschaft unterwirft.


Eine möglichst objektivierbare Bewertung der Kreditwürdigkeit von Schuldnern oder potentiellen Schuldnern zu erhalten, ist in einem auf Kredit beruhenden Wirtschaftssystem notwendig. Wenn man kein Vertrauen zu demjenigen haben kann, der den Kredit haben will, so kann man es durch das Vertrauen zu einer Organisation bzw. deren Verfahrensweisen die Kreditwürdigkeit zu bewerten ersetzen.


Die Notwendigkeit oder Nützlichkeit solcher Organisationen ist also einleuchtend.


Dass diese Organisationen private, profitorientierte Unternehmen sind, macht die Angelegenheit etwas komplizierter.


Wenn sie vom potentiellen Kreditgeber bezahlt würden, wäre es klar, dass sie sich keine Fehlurteile leisten können. Niemand würde sie mehr engagieren. Da sie aber vom Kreditnehmer bezahlt werden, stellt sich die Frage, womit sie ihr Vertrauen verdienen.


Die Antwort ist, dass sie ihre Zuverlässigkeit beweisen müssen, wenn sie ihre eigenen Reputation - und damit ihr künftiges Geschäft - bewahren wollen. Trotzdem: Das Dilemma ist nicht zu leugnen.


Und dass es nicht immer angemessen gelöst wird, zeigt die Sub-Prime-Krise, wo die Rating-Agenturen Schrottpapieren die höchsten Bewertungen gegeben haben und aller Wahrscheinlichkeit nach auch Korruption im Spiel war. Ohne sie und das Vertrauen zu ihren Ratings hätten deutsche Landesbanken sicher keine Schrottpapiere gekauft.


Dass sie weiter im Geschäft geblieben sind, liegt einfach am Mangel an Alternativen. Wenn Kreditgeber ihre Kreditvergabe innerhalb ihrer Organisation begründen müssen, dann können sie sich nicht einfach darauf berufen, dass sie persönlich dem Schuldner vertrauen. Sie müssen ihre Entscheidungen mit "objektiven Daten" begründen können. Und die bzw. etwas, was so aussieht, liefern im Moment als einzige die Rating-Agenturen. Sie verdienen zwar kein Vertrauen, aber es gibt keinen, der mehr Vertrauen verdienen würde, also tut man so, als ob...


Ein weiterer Grund für ihre Wichtigkeit ist, dass Staaten und zwischenstaatliche Institutionen wie der IWF oder die EZB den Agenturen einen quasi-staatlichen Status gegeben haben, indem sie bestimmte Aktionen wie die Akzeptanz bestimmter Anleihen als Sicherheit an bestimmte Ratings gebunden haben.


Eine der negativen Folgen der Privatisierung obrigkeitlicher Funktionen, die durch das amerikanische Modell weltweit wirksam geworden sind.


Die Welt braucht Rating-Agenturen, die neutral und unabhängig sind, d.h. nicht als profitorientierte Unternehmen organisiert sind.