Psychoanalyse

In der New York Times von heute ist ein Artikel abgedruckt, der sich mit der Bedeutung der Psychoanalyse an amerikanischen Universitäten beschäftigt. Anlass ist eine Studie, die zeigt, dass Psychoanalyse an vielen Universitäten gelehrt wird oder in diversen Curricula ein Thema ist, nur (fast) nicht in den Psychology Departments. 86 % aller Lehrveranstaltungen, in denen es um psychoanalytische Fragestellungen geht, finden in anderen Fakultäten statt.


Das sagt doch einiges über die akademische Psychologie in den USA (hier dürfte es nicht anders sein). Aber es sagt auch viel über die anderen Fakultäten ("Humanities" dort = Geisteswissenschaften hier). Sie sehen Freud bzw. den Einfluss seines Denkens und Schreibens nicht so sehr in der Erfindung irgendwelcher Therapiemethoden, sondern in der Beschäftigung mit den für Menschen relevanten Fragen: vom Sex bis zum Tod... (und das ist auch gut so). Wenn man Freud zum Begründer einer Therapiemethode degradiert, wird man ihm nicht gerecht (eben weil diese Methode in ihrer Nützlichkeit sehr beschränkt ist).


Was die Psychoanalyse in Schwierigkeiten gebracht hat, hier wie dort, ist die Orthodoxie ihrer Vertreter bzw. ihrer (Ausbildungs-)Institutionen. Wer ein hermetisches System baut (und Sigmund Freud hat leider damit begonnen), darf sich nicht wundern, wenn es drinnen einsam wird und nicht viel von dem, was da drinnen als wichtig erscheint, nach draußen dringt...


Die Kurse, die an den amerikanischen Universitäten über Freud und die Psychoanalyse abgehalten werden, erfreuen sich des tiefen Mißtrauens der Vertreter der offiziellen Psychoanalyse... Aber Freud und sein Werk, soviel kann - glaube ich - vorher gesagt werden, wird die psychoanalytischen Institutionen überleben (ob ihm selbst das nun recht wäre oder nicht). Denn das ist ja das Schöne an geschriebenen Texten: Der Autor hat keine Kontrolle mehr über ihre Verwendung...