Papageienwirklichkeit

Eine ausführliche Diskussion mit meiner Liebsten hat gestern ergeben: von ihrer Mutter weiß ich nun, dass Papageien träumen. Weil Hunde auch träumen. Wie Menschen.

Wie konnte ich nur denken, bei der Annahme, Papageien träumen, könne es sich (auch) um eine Konstruktion der sozialen Wirklichkeit der Mutter meiner Liebsten handeln?


Und woher ich nun weiß, dass ich jetzt wirklich weiß, dass Papageien träumen? Weil die jahrelangen Beobachtungen der Mutter meiner Liebsten einfach nicht zu widerlegen sind! Wozu leben wir auch sonst in einer Expertendemokratie – die Selbstorganisation der zu Experten gereiften Hobbyisten und Anhänger von Do-it-yourself eingeschlossen?! Und überhaupt ist ja das Beziehungssystem von Haustieren und ihren Haltern per se undiskutierbar (zumindest mit den Haltern, mit den Tieren ginge dass ja vielleicht)! Und es hat ja auch wirklich seine anmutigen Seiten!


Es gibt ja ernsthafte Experimente, Haustiere in eine Familienaufstellung zu integrieren bzw. somatische Befunde der Haustiere in Zusammenhang mit der psycho-somatischen Konstellation ihrer Halter zu bringen. (Von Sheldrakes Experimenten einmal abgesehen.)

Ich erinnere mich an eine psychotherapeutisch tätige Kollegin, die festgestellt hatte, Ihr Hund agiert proaktiv oder reaktiv auf emotionale Situationen ihrer Klienten: wenn einer Trost brauchte, kam der Hund. In ökonomischen Krisenzeiten wäre es demzufolge naheliegend, das Fernbleiben des Hundes als Anzeichen dafür zu nehmen, dass der Klient jetzt keinen Trost (Unterstützung, Rat, Therapie, etc.) mehr benötigt und angesichts des zu erwartenden Endes der Arbeit einen Beratungstermin bei der Bank zu suchen. Da ich die Kollegin menschlich schätze, enthalte ich mich einer weiteren Deutung und nehme - frei nach DeShazer - lieber ein Aspirin…


Eine Stunde nach unserer gestrigen, zweistündigen, Nachmittagsdebatte zum Thema Konstruktivismus – und die Papageien waren eben nur ein anschlussfähiges, daher praktisches, Beispiel (was können die Tiere dafür, dass sie alles Mögliche nachplappern, manchmal sogar für mich semantisch, kontextuell nachvollziehbar!?) kam meine Liebste - nach intensivem Studium von Werner Schneiders „Wieviel Philosophie braucht der Mensch?“ (C.H. Beck’sche Verlagsreihe) mit Untertitel: „Eine Minimalphilosophie“. Daraus legte sie mir einen Abschnitt über die „Grenzen der Erkenntnis“ nahe.


Angesichts der Komplexität der Ausführungen auf den folgenden Seiten habe ich gestern Abend einen Doppelbeschluss gefasst: (a) die Annahme, soziale und psychische Realität sei grundlegend konstruiert, halte ich für weniger kompliziert und (b) meiner Liebsten und ihrer Mutter zuzustimmen, ist für die Konstruktion des Systems unserer familiären Beziehungen einfach praktischer.


Vielleicht sollten wir aber auch mal eine Aufstellung zum Thema „Papageien und ihre Träume“ machen. Es böte sich ja vielleicht eine Tetralemma-Konstruktion an? (Oder ist die jetzt wieder nicht phänomenologisch genug?) Wie viele und welche Stellvertreter wir aus unserem Gegenwartssystem benötigten, ist mir jedoch noch nicht klar…


Wer von den Bloggern (ist das eigentlich eine ungeschlechtliche Form?) etwas über Papageien und ihre Träume weiß (oder zu wissen glaubt), möge sich melden! Ich verspreche, ich werde ihr Wissen meiner Liebsten und ihrer Mutter nur verraten, wenn es unsere Anschlussfähigkeit erlaubt…


Zitat aus dem o.g. Buch: „Es wäre zweifellos gut, wenn sich der Mensch der Misere seiner Erkenntnis voll bewusst wäre – falls das menschliche Erkennen überhaupt seine ganze Unvollkommenheit erkennen kann.“

Sag ich doch! Was interessiert die Papageien, ob sie träumen? Solche Fragen können nur Menschen stellen…