Offenbarungen und Geständnisse

Maribor hat es mir nicht leicht gemacht, es zu mögen. Vom Regen sind meine Sachen immer noch nass. Der relativ kurze Weg von der Fakultät zum Hotel hat gereicht, alles durchzuweichen - den Anzug, die Tasche und meine Stimmung. Es ist natürlich ungerecht, die Stadt jetzt nicht zu mögen, aber im Hinblick auf die Kontexte meiner ramponierten Laune macht die Stadt den signifikantesten Unterschied. Regentage habe ich schon viele erlebt und auch das eine oder andere Stimmungstief, aber Maribor kannte ich noch nicht. Es fiel mir eben schwer, diese Stadt zu mögen. - Das war gestern, heute morgen war dann alles wieder anders. Blitzblauer Himmel, Sonnenschein, eine kleine Frühstücksbar mit Armsesseln auf der Sonnenterasse, sanfte Jazz-Musik füllte den Platz, ein guter Cappuccino und Topfenstrudel mit Aprikosen. Großartig, schöne Ecke der Welt, dies Maribor.


Gestern Abend war’s schlimm, da habe ich mich sehr früh ins Bett gerettet, den Regen ausgesperrt und mich geflüchtet in systemische Lektüre. Ich glaube, es waren Dirk Baeckers „Offenbarungen“ oder Fritz B. Simons „Geständnisse“, die mir Trost verschafften. Hoppla, was habe ich denn da gelesen? Und woher kamen die Bücher? Mit durchsonntem Haupt vermag ich mich nicht zu erinnern, weder bei Carl-Auer noch bei Suhrkamp noch in irgendeinem anderen Verlagsprogramm solche Bücher je gesichtet zu haben. Und doch ist mir irgendwie, als müsste es diese tröstenden Bücher geben. - Oh weh, jetzt nimmt die Dynamik ihren Lauf. - Natürlich ist es despektierlich zu behaupten, die beiden hätten diese Bücher geschrieben, wobei ich damit natürlich nicht sagen möchte, dass ich sie ihnen nicht zutraue, was in keinem Fall als Kritik verstanden werden sollte, die fragt, warum denn diese Bücher immer noch nicht geschrieben wurden, ob uns da etwas vorenthalten werden soll, ob da Herrschaftswissen gehortet wird, was ich persönlich nicht glaube, was aber auch nicht heißen soll, dass mangelndes Wissen oder die Bequemlichkeit der Verteilung unterstellt werden könnte oder sollte, und es soll auch auf gar keinen Fall heißen, dass den beiden ein Mangel an trostvoller Empathie unterstellt würde, und es soll auch nicht der Eindruck erweckt werden, als klagte ich darüber, dass die beiden mir den so nötigen Trost an solch einem Regentag verweigerten, und es ist auch eher ein vollkommener Zufall, dass ich die trostvolle Lektüre mit den beiden assoziiere, ich wollte sie da nicht reinziehen, wobei ich damit nicht den Eindruck erwecken möchte, dies sei nun eine Zurückweisung und ich zöge in solchen Momenten eine ganz andere systemische Lektüre vor, weil diese im Vergleich besser, systemischer oder tröstlicher sei. – Halt, halt, stopp, das wollte ich nicht, aussteigen, lassen, bitte! – Ich möchte natürlich auch nicht all die anderen Autoren und natürlich auch Autorinnen diskreditieren, weil ich sie hier nicht erwähnt habe, und es soll auch nicht als Bevorzugung verstanden werden, dass ich sie nicht erwähnt habe. Ich möchte mich an dieser Stelle auch nicht in Fatalismus flüchten, um zu entschuldigen, warum mir das hat passieren können, ich habe das geschrieben und stehe dazu. Mea culpa. Damit möchte ich dem Katholizismus nicht das Wort reden, aber auch nicht in Abrede stellen, woher die Figur kommt. Ich möchte aber in Hinwendung auf Billy Joel’s Liedzeile „We didn’t start the fire“ nicht den Eindruck erwecken, dass ich meine auktorialen - oder sollte ich sagen autorialen - Möglichkeiten notorisch überschätze …


Die Geister, die ich rief, werde ich jetzt nicht mehr los, sie werden mich noch weiter durch den Tag treiben, bis ich heute Abend im Bett total erschöpft dann wohl in ein wenig systemischer Lektüre Trost suchen werde. Vielleicht versuche ich es einmal mit Alois Hahns Selbstthematisierung und Selbstzeugnis - Bekenntnis und Geständnis (Hahn, Alois (1987): Identität und Selbstthematisierung, in: Hahn, Alois / Kapp, Volker: Selbstthematisierung und Selbstzeugnis - Bekenntnis und Geständnis, Suhrkamp, Frankfurt a.M.).