Obama's Führungsstil

Sieht man amerikanisches Fernsehen (was auch per Internet geht), so sind die politischen Kommentatoren sich nicht einig, wie Präsident Obamas Verhalten in der Gesundheitsreform--Debatte einzuschätzen ist. Die meisten verstehen nicht, warum er bislang den Parlamentariern überlassen hat, ein Reform-Gesetz zu formulieren und zu verabschieden.


Das Repräsentantenhaus hat eines verabschiedet mit einer "public option", d.h. einem Plan, dass die Regierung eine Form der Krankenversicherung aufbaut, die als Konkurrenz und Korrektiv zu den privaten, sehr reichen, sehr restriktiven, die Kosten des Gesundheitssystems zur Explosion bringenden, privaten Krankenversicherungen wirken können.


Der Senat hat noch keinen Gesetzentwurf verabschiedet. Er scheitert trotz großer demokratischer Mehrheit an der Regel, dass nicht die einfache Mehrheit reicht, sondern de facto 60 von 100 Stimmen nötig sind, um ein Gesetz durchzubringen. Das gibt jedem einzelnen Senator so etwas wie ein Veto-Recht. Dies demonstriert jetzt der frühere demokratische Senator Joe Liebrmann. Er firmiert jetzt als "independent", d.h. er ist bei der letzten Wahl gegen den offiziellen Kandidaten seiner Partei angetreten (und hat gewonnen), nachdem er bei den Vorwahlen innerhalb seiner Partei nicht zum Kandidaten gekürt wurde. Jetzt zeigt er seine Macht, die daraus resultiert, dass die Republikaner gegen jeden Gesetzentwurf stimmen und die Demokraten auf keine Stimme verzichten können.


Um Liebermann zur Zustimmung zu bringen, haben die demokratischen Senatoren auf die "public option" in ihrem Gesetzentwurf verzichtet und stattdessen den noch im September von Liebermann gemachten Vorschlag, Medicare, die staatliche Versicherung für über 65-jährige Amerikaner, zu öffnen für die Altersgruppe der 55 - 64-Jährigen.


Nun aber hat sich Liebermann entschlossen, gegen seinen eigenen Vorschlag zu sein, weil er einigen seiner früheren Parteigenossen gefallen hat (wie er selbst sagt). Also wurde auch diese Version von Reform gekippt.


Nun stellt sich die Frage, wie es weiter gehen wird.


Politische Kommentatoren sagen, Obama müsse Liebermann und allen anderen, die seine Reformpläne killen wollen, deutlich signalisieren, dass er sie zu Feinden erklären und gegen sie kämpfen werde, wenn sie das weiter tun. Andernfalls mache er sich zum Affen...


Ich persönlich kann die Strategie von Obama nicht einschätzen. Es spricht einiges dafür, den Konflikt erst auf untergeordneter Ebene ausfechten zu lassen, bevor er sich einmischt. Das gilt aber nur, solange die Chance besteht, dass dabei etwas Gescheites rauskommt. Wenn diese Hoffnung nicht mehr gegeben ist, muss er wohl oder übel die Macht nutzen, die er hat (die formale wie die informale, die darin besteht, seine Popularität zu nutzen für oder gegen..., Netzwerke einzustimmen usw.).


Schaun wir mal, was er macht und wie es weiter geht. Interessantes Studienobjekt.