Obama in Berlin

Wer diese Rede gehört hat, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier ein (künftiger) Präsident gesprochen hat.


Auf die Inhalte, die m.E. so konkret waren, wie sie vor 200 000 Zuhörern vor Ort plus ein paar Millionen an den Bildschirmen sein können, will ich hier nicht eingehen, denn das werden die Kommentatoren in den Zeitungen sicher zu Genüge tun.


Ich war vor allem vor der handwerklichen Kunst der Konstruktion der Rede beeindruckt. Denn es wurde mit Assoziationketten und -netzen gespielt, dass es eine Freude war. Das fing an bei der Luftbrücke und der Rolle, die Amerika dabei gespielt hat, an, ging über die unverbrüchliche Solidarität, die seither zwischen Berlinern (Westeuropäern) und den USA besteht (bestand, bevor die jetzige Regierung antrat) usw. hin bis zu Fragen von Kriegsverbrechern vor Gericht, Darfur, abschmelzenden Polkappen und all den anderen kontroversen Themen, bei denen die Bush-Regierung ihre Ignoranz gezeigt hat...


Dabei wurde immer wieder mit Zitaten gearbeitet, die ganze Geschichten wachriefen (bei manchen Zuhörer wenigstens). Das fing bei Ernst Reuter an ("Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt!") und hörte bei Ronald Reagan auf ("Mr. Gorbatshew, tear down this wall!"). Überhaupt war dies eine Anti-Wall-Rede, wie man sie sich nicht besser ausdenken kann. Teilung überwinden. Zurück zur alten Harmonie, auch wenn die heute - ohne die Feinde hinter der Mauer - anders aussehen muss als damals.


Die Zuschauer jubelten, wahrscheinlich von der Hoffnung erfüllt, die guten alten Amerikaner wieder zu bekommen, Diejenigen, die Nahrungsmittel statt Streubomben abwerfen. Eine geradezu verzweifelte Hoffnung, eine alte Idealisierung reaktivieren zu dürfen.


Da die Rede an die Wahlbevölkerung der USA gerichtet war, dürfte die intendierte Botschaft gewesen sein: Schaut auf diese Stadt (und diesen Mann), dann seht ihr, dass die Mauer zwischen den USA und dem Rest der Welt nieder gerissen werden kann. Ihr Amerikaner wollt geliebt werden, denn dies entspricht Eurem Selbstbild als den "Guten". Bush hat es unmöglich gemacht, dieses Selbstbild aufrecht zu erhalten - zumindest ist das nicht die Rückmeldung, die aus aller Welt kommt. Das kann aber wieder geändert werden: Yes, we can! Die Welt wartet nur darauf, die Amerikaner lieben zu dürfen...


Wirklich: Alles nicht schlecht gemacht. Es besteht wohl doch Hoffnung, dass diese Wahl zu einem Wechsel der Regierungspartei führt.