Nützliche Verschwendung

Dass die Deutschen sparsam sind, weiss jeder. Deshalb sind sie auch jahrelang Exportweltmeister gewesen. Gespart wurde an den Löhnen. Deshalb waren die deutschen Produkte weltweit nicht nur aufgrund ihrer Qualität konkurrenzfähig, sondern auch aufgrund der relativ niedrigen Preise.


Die Negativseite dieser Sparsamkeit ist, dass die deutsche Wirtschaft in extremer Weise vom Export abhängig ist - und jetzt mehr als andere Volkswirtschaften abstürzt. Denn die Binnennachfrage ist aufgrund des niedrigen Lohnniveaus nicht groß genug.


Jetzt liest man in der Zeitung, dass die Unternehmen der Metallindustrie die vereinbarten Lohnerhöhungen erst - wie lt. Tarifvertrag möglich - erst ein halbes Jahr später vornehmen wollen. Aus Sicht der jeweiligen Unternehmen ist dies eine vernünftige Massnahme: Die Liquidität des Unternehmens wird in schlechten Zeiten geschont, d.h. die Überlebenschance des Unternehmens wird erhöht. Bezogen auf jedes einzelne Unternehmen als Überlebenseinheit ist diese Massnahme nachzuvollziehen, und sie erscheint angemessen.


Bezogen auf die deutsche Volkswirtschaft ist diese Massnahme aber alles andere als vernünftig. Denn angesichts des zusammenbrechenden Exports wäre eine Steigerung des heimischen Konsums eine gute, ja notwendige, Arbeitsplätze sichernde Hilfe. Lohnerhöhungen könnten hier helfen. Aber... siehe oben....


Wie ist dieser Widerspruch zu bewältigen? Einerseits wäre es im Moment für die Überlebenseinheit "Deutsche Wirtschaft" gut, wenn der Konsum in Deutschland gesteigert würde - oder zumindest nicht verringert würde, andererseits wäre es gut, wenn die Überlebensfähigkeit der Unternehmen gesteigert oder zumindest nicht verringert würde.


Die Lösung für diese Dilemma sind in der gegenwärtigen Situation der Weltwirtschaft m.E. die hier schon einmal besprochenen Konsumschecks. Wenn nicht nur der Kauf von Autos, sondern alle Arten von Konsum (d.h. nicht das Sparen) durch Konsumgutscheine von x Euro gefördert würden (die natürlich durch Steuergelder zu finanzieren sind), so hätte die deutsche - und nicht nur die - Wirtschaft einen unmittelbar wirksamen Stimulus. Und da er nicht nur für ein Produkt gegeben wird, wäre auch der Wettbewerb dadurch nicht verzerrt. Die Überlebensfähigkeit der Unternehmen würde dadurch auch nicht in Frage gestellt.


Hier zeigt sich, dass die Rationalität unterschiedlicher Systemtypen höchst unterschiedlich ist. Was für das Unternehmen gut ist, muss nicht gut für die Volkswirtschaft sein. Aber was gut für die Volkswirtschaft ist, kann durchaus gut für die Unternehmen sein. In diesem Fall zumindest...


Und dem deutschen Nationalcharakter täte es wahrscheinlich auch gut, Verschwendung mal als etwas Nützliches zu erleben. Ausserdem: ein wenig Umverteilung würde ja auch nicht schaden...