Novitzki, Fortsetzung

Meine relativierende Einschätzung der Wichtigkeit von Individuen für den Sieg einer Baskeballmannschaft bzw. meine Abwertung amerikanischer Ideen über das Zustandekommen von Mannschaftsleistungen hat zu einem gewissen - aber für diesen Blog doch ehr unüblichen und bemerkenswerten - Widerspruch geführt.


Deshalb hier ein paar Anmerkungen dazu:


Dass Novitzki der herausragende Spieler der letzten Saison war, will ich ja gar nicht bestreiten. Und dass man auch bei einem europäischen, mannschaftsorientierten Spiel gute Individualplayer braucht, scheint mir auch klar. Trotzdem ist mir wichtig, die jeweilige Spiel-Philosophie genauer anzuschauen.


Ich denke, dass der amerikanische (individuumzentrierte) Ansatz alle sozialen Phänomene meistens (d.h. auch außerhalb des Sports) als die Summe von individuellen Leistungen (additiv) versteht. Deswegen wird dem Einzelnen dann eine entsprechende Bedeutung gegeben.


Das ist - soviel ich weiss - auch beim American Football der Fall. Allerdings dürfte hier die von Jürgen Klinsmann vorgeschlagene Unterscheidung zwischen Coaches-Games und Players-Games von Bedeutung sein. Denn bei all den in den USA erfolgreichen Mannschaftssportarten hat der Trainer eine zentrale steuernde Funktion, indem er Spieler während des - meist sehr schnellen - Spiels aus dem Spiel nimmt und die Zusammensetzung der Mannschaft ständig verändert. Das ist beim Basketball nicht anders als beim Eishockey, und ich vermute (d.h. da kenne ich mich nicht wirklich aus) beim Football auch. Beim Baseball ist es sowieso der Fall, dass immer Einzelne agieren.


Beim europäischen Fußball sind die Möglichkeiten des Trainers in das aktuelle Spiel einzugreifen hingegen nur sehr begrenzt.


Insofern stehen sich m.E. doch sehr unterschiedliche Weltbilder gegenüber - wobei ich ja kein Hehl daraus mache, dass ich das amerikanische Modell langfirstig nicht für erfolgreich halte. Es stand in den letzten 200 Jahren für die Befreiung des Individuums aus einer staatlich verordnete Knechtschaft (um das mal theatralisch auszudrücken) und Unmündigkeit, und jetzt scheint es mir auf der anderen Seite des Spektrums dafür zu sorgen, dass der Blick auf das Individuum verhüllt, welche sozialen Strukturen als sozialer Klebstoff nötig und funktionell für eine Gesellschaft sind.


Sage mir, welche Spiele Du spielst, und ich sage Dir, in was für einer Gesellschaft Du lebst...