Niveaulimbo im Hörfunk

Gewinnermittlung mal anders. Mir ging heute ein aufklärerischer Artikel durch den Kopf, den ich vor einem halben Jahr in unserem Stadtmagazin gelesen habe. Der hat mir einiges erklärt, von dem ich jetzt schreibe.


Ich komme aus Leipzig, und Leipzig ist neben der Messe auch eine Stadt der Medien. Wir haben nämlich öffentlich-rechtliches Fernsehen und Hörfunk. Und einmal im Jahr gibt es da ein lustiges Ritual, dass ich keinem Kenner der Materie vorenthalten möchte, und zwar die Ermittlung der Einschaltquoten für den Hörfunk.


Heiß umkämpft ist natürlich die Zielgruppe der 14-24-jährigen; zumindest aber der jungen Leute. Da prägt sich die Werbung noch am besten ein. Unser öffentlich-rechtlicher Sender (hier ÖRS genannt) hat ein eigenes Jugendradio am Start, und natürlich hat die private Konkurrenz ein ebensolches Produkt. Die beiden Produkte sind für den erwachsenen Laien nicht unterscheidbar, und wohl auch für den Jugendlichen Hörer nicht.


Der ÖRS steht nun des Öfteren in der Kritik, denn er hat seinen Kultur- und Bildungsauftrag vergessen. Das Wort vom Niveaulimbo macht die Runde, wobei der ÖRS in Vorleistung geht, und das Niveau unglaublich tief legt. Dann kann der private Rundfunk (hier PRF genannt) nicht anders, und legt noch einen drunter. Und so weiter.


Der Kritik kann der ÖRS nur ausweichen, indem er auf den unglaublichen Erfolg seines Jugendsenders verweist. Und hier kommt die Quotenermittlung ins Spiel. Denn das Problem ist, dass den ÖRS mutmaßlich niemand hört, übers Jahr gesehen.


Der Laie erkennt die Tatsache, dass in den nächsten sieben Tagen wieder die Quote ermittelt wird, daran, dass einmal jährlich die ganze Stadt mit Werbung der beiden Hörfunksender zuplakatiert ist. Der ÖRS leistet sich die großen Billboards, der PRF setzt auf die Werbeträger zum Beispiel an der Straßenbahnhaltestelle.


Die Pointe ist, dass die Quote per Telefonumfrage ermittelt wird. „Hören Sie eher ÖRS oder eher PRF?“ Und die Antwort gibt ganz klar die Werbepsychologie: Ich höre den Sender, dessen Plakat mir eindrücklicher war. Erwartungsgemäß wird wieder der ÖRS vorn liegen.


Da der ganze Spuk nur selten geschieht (einmal jährlich), erinnert mich diese Kampagne dann immer gleich an Wahlwerbung. Da sind die Plakate auch bald wieder weg, und die Programme sind ununterscheidbar. Den politischen Niveaulimbo in Berlin habe ich mir vorgenommen, nicht im Blog zu kommentieren.


Also ertrage ich stoisch die debilen Plakate, die die beiden Jugendsender anpreisen.