Nicht ausbildungsfähig II

„Weg vom verkopften Lernen“, lautet das Credo des Schulleiters. „Die Schüler sollen Erfahrungen fürs Leben sammeln“, erläutert er das Konzept des Ganztagsangebots. Illusionen gibt er sich dagegen keinen hin: „Es wird ein langer Weg.“


So stand es am 6. Mai in der Nordwestzeitung über die St. Martin-Schule von Bösel, eine Grundschule, die vom Kultusministerium die Genehmigung für den Ganztagsbetrieb („auf freiwilliger Basis“, wie der gute Kollege betont) erhalten hat.


„Verkopftes Lernen“, auch einer dieser Kampfbegriffe, die in den Köpfen stecken. Ja, wo bitte schön findet denn Lernen statt, wenn nicht „im Kopf“? Auch beim Lernen mit Kopf, Herz und Hand, wie es die Reformpädagogen des 20. Jahrhunderts zu Recht gefordert haben, findet das Entscheidende schließlich im Kopf statt. Auch wenn die Kinder von Bösel nachmittags bei einer guten „Oma“ (die noch gesucht wird) das Stricken lernen, geschieht, wie uns die Hirnforscher plausibel machen, das Wachstum an Können im Gehirn.


„Lernen mit Spaß“ – schön und gut! Wenn man Spaß beim Lernen hat, lernt man doppelt gut. Bei dem, was täglich in den Lokalzeitungen quer durch die Republik über das Lernen zu lesen ist, hat man öfter den Eindruck, dass es eher um den Spaß an sich geht und weniger um das Lernen. Vor allem frage ich mich, woher bei all den Eventprojekten die Zeit zum Lernen dessen kommen soll, was am Ende der Schulzeit die jungen Leute fit fürs Leben, also unter anderem „ausbildungsfähig“ macht.


Ich glaube, wir Schulmeister müssen umdenken. Und die Verwaltungs- und Lenkungspersonen des Systems erst recht. Schüler brauchen in der Grundschule und darüber hinaus viel Zeit für den Erwerb der Grundausstattung fürs Leben, die sogenannten Kulturtechniken. Lesen, Schreiben, Rechnen. Die Schule muss das Lernen so organisieren und betreiben, dass für das Üben der Kulturtechniken (unter Anwendung aller motivationsfördernden, Freude spendenden, Mut machenden Mittel und Wege, die es ja gibt) ausreichend Zeit verwendet wird, statt für einen ineffektiven Frontalunterricht, ergänzt durch lockeren Zeitvertreib mit geringer Bedeutung für geistiges (und manuelles) Wachstum. Damit es kein „Pauken“ wird (noch so ein Wort-Fossil!!), muss viel Hirnschmalz in das Ersinnen und Begehen von Wegen des effektiven Lernens gegossen werden. Ohne Mühen aber geht nichts. Bei keinem Lernenden. Da soll sich niemand Illusionen machen. Tun wir was, jeder für sich und mit den Kollegen seiner Arbeitsumgebung, damit die elementare Bildung in allen Köpfen, Herzen und Händen wachsen und gedeihen kann! Das ist, ganz altmodisch, auch eine Frage unserer Berufsehre.