Neue Schreibschrift

Derzeit gibt es wieder einmal eine typische Schuldiskussion mit ideologischem Konfliktpotenzial. Es geht um die Einführung der Grundschüler in das Schreiben. Die Befürworter der neuen Grundschrift loben ihre Orientierung am Gedruckten und erwarten, dass sich die Kinder damit leichter tun, weil sie nur ein System lernen müssen. Bisher lernen sie in der Regel erst Druckbuchstaben, schreiben mit diesen auch zuerst, ehe sie in einem zweiten Schritt die vereinfachte (lateinische) Ausgangsschrift einüben. Die Gegner der Grundschrift beklagen den drohenden Verlust der Handschrift in ihrer bisherigen Ausprägung mit den geschwungenen und verbundenen Buchstaben.


Die Erprobung der Grundschrift beginnt zum neuen Schuljahr. Manche Befürworter erwarten, dass vielen Kindern das Erlernen des Schreibens deutlich leichter fallen wird, einige sogar verbesserte Rechtschreibleistungen. Stutzig macht mich, dass die Auguren des Grundschulverbandes, um dessen Initiative es sich hier handelt, ein zweites Ziel für leicht erreichbar halten, das gar besonders wichtig sei: das Beherrschen der Computertastatur. Da aber müssten die Alarmglocken läuten: Die Schrift mit der Hand ist nicht mehr so wichtig wie das Tippen in die Tastatur?


Ein solcher Systemwechsel wäre bedenklich. Schon jetzt ist bekanntlich jeder vierte junge Erwachsene im elementaren Schreiben und Lesen nicht sattelfest, bedroht vom so genannten funktionalen Analphabetismus. Wenn man in zwei Jahrzehnten nur noch schreiben kann, wenn eine Tastatur dafür zur Verfügung steht, wird diese Zahl vielleicht gar drastisch ansteigen.


Mich wundert, dass zu dieser Diskussion (wenigstens nach meiner Beobachtung) die Hirnforschung schweigt; denn hier weiß man doch, dass für das Erlernen einer Kulturtechnik wie der des Schreibens sehr viel Zeit und Übung notwendig ist. Schließlich ist es mit dem Wachstum der entsprechenden Fertigkeiten im Gehirn verbunden.


Wie auch immer: Man sollte diesen systemrelevanten Vorgang nicht ein paar Fachleuten aus der Schule allein überlassen. Vor allem dann, wenn die Diskussion das in ihm schlummernde Glaubenskriegspotenzial freisetzen sollte (was gut sein kann).