Narrativer Gottesbeweis

In den Medien heute rangiert – noch vor den Gefahren der Vogelgrippe und der Räumung der jüdischen Siedlungen in Gaza – der Papstbesuch in Köln. Massen von Jugendlichen und auch viele Erwachsene mit dem gemeinsamen Fokus auf … (so genau weiß ich das gar nicht – ist aber vielleicht auch nicht so wichtig: Trotz bei aller Buntheit der äußeren Erscheinungen und inneren Motive nehme ich doch auch einen Flair von Gemeinsamkeit wahr). Und ganz im Gegensatz zur Meldung des Flugzeugabsturzes vorgestern bewegt mich das.


Als Nicht-Katholik und eher-nicht-Kirchgänger (und in kritischer Distanz zur real existierenden Organisation „Kirche“ – aber nicht ausgetreten) ist mir der Papst eher „Wurscht“: Ob von ihm etwas kommt, was man auch als nicht-Katholik besonders bemerkenswert findet, muss sich noch zeigen (ich denke z.B. an Dom Erwin Kräutler, der als Indio- und Missionsbischof in Altamira (Brailien) für die Rechte der Indios eintritt, von der Militärpolizei verhaftet war, mehrere Attentate (vermutlich von den Großgrundbesitzern eingefädelt) überstanden hat etc.).


Und natürlich kann man zu „Köln“ auch kritisch sagen, dass viele dort hingehen mit der gleichen Event-mitmach-Mentalität wie zu einem Pop-Star. Aber es ist eben doch nicht dasselbe: Sich „für Kirche“ und/oder „Religion“ zu outen, heute, bei uns, ist längst nicht so chic, wie für Michael Jackson etc. (Leute, verzeiht mir, ich bin da trotz „Kinder“ ziemlich „out“ was auf dem Pop-Markt grad so „in“ ist). Und als kognitiv-emotive Gegenbewegung zur Gewinne-um-jeden-Preis-Mentalität der Ökonomen, zum Geblubber der führenden Politiker, zum Effektivitätärä, Qualitätärä, Internationalitätärä der aufgeblasenen Wichtigtuer im Bildungs- und Wissenschaftsbereich, erfüllt mich dieser Fokus von „Köln“ mit einer gewissen Hoffnung, dass es für doch recht viele Menschen auch andere Aspekte geben kann. (Das hat wohl ein wenig mit meiner NDR-3 vs. „Tagesschau“ Erfahrung zu tun, die in den blog-Diskursen gestern/vorgestern erwähnt wurde).


„Keine höhere Instanz - dabei bleibe ich“ beharrte Fritz B. Simon in einem Kommentar (Mittwoch. 17.8.) mit „agnostischen Grüßen“. Sofern er damit – das war ja der Fokus – darauf abzielt, dass keiner Instanz (weder höher noch niedriger) die Verantwortung für unser Handeln zugeschoben werden kann, gehen wir voll konform. Dass aber unsere Narrationen, und damit unsere Lebenswelt – und sogar die Tatsache von Narrationen selbst – mehr braucht, als die operationale Geschlossenheit eines ZNS, ist mir ebenso bedeutsam. Und da sind wir schnell bei den „höheren Instanzen“: Diese sollten wir (wie schon das „Bilderverbot“ sagt) nicht ontologisieren, reifizieren etc. Gleichzeitig kommen wir aber ohne irgendwelche Bilder wohl nicht aus - was m.E. erst problematisch wird, wenn wir die Bilder mit dem abzubildenden verwechseln (was für mich die eigentliche Bedeutung des „Bilderverbots“ ist).


In Kenntnis vieler dümmlicher bis kluger, aber allesamt gescheiterter, Versuche nach einem „richtigen“ Gottesbeweis im Laufe der Geschichte habe ich mir vor Jahren mal einen „minimalistischen Gottesbeweis“ ausgedacht. Eigentlich weniger aus religiösen Gefühlen sondern eher als rationale Denk- und Logikübung. Ich will ihn hier nun erstmals „veröffentlichen“ (was Auers blog-Diskurse doch so alles bewirken):


Irgendein Wesen, das einmal in ferner Zukunft die Geschichte dieses Planeten – oder gar des Universums – nacherzählt, kommt, beim Anspruch auf Vollständigkeit, nicht umhin, „Gott“ dabei einen erheblichen Stellenwert einzuräumen.

Und daraus ergibt sich: Gott existiert in dieser Welt.


Hinter diese „narrative Ontologie“ (j.k.) Gottes kann auch ein Atheist nicht zurückfallen. Das scheint auf den ersten Blick extrem wenig zu sagen – schließlich gab es auch eine „narrative Ontologie“ des „Einhorns“ im Mittelalter. In der Tat: auch das Einhorn „gab“ es; und es entfaltete (als Narration) damals seine Wirkung (übrigens auch auf reale Verhaltens- und Handlungsweisen, wie ich mal wo gelesen habe). Narrative Entitäten können also eine bemerkenswerte Wirkung entfalten. Und die Narrationen können in hohem Maße ausdifferenziert werden – wem schreib ich das! (bei so viel therapeutischen LeserInnen).

Diese Bedeutungen und die Erfahrungen damit können also in unterschiedlichem Ausmaß die Lebenswelt bestimmen. Und man kann über diese Bedeutungen und Erfahrungen reden – vorzugsweise mit Menschen, die gewisse Bedeutungen teilen und ähnliche Erfahrungen haben. Das Austauschen von Bildern ist aber für das Abgebildete letztlich ziemlich belanglos. Jene, denen meine „narrative Ontologie“ zunächst als „zu wenig“ erschien, sind eingeladen, hier weiter nachsinnen, was sich damit eröffnen könnte (jedenfalls hat doch hoffentlich sowieso niemand geglaubt, Gott in unserer Materie, in unserem cartesischen oder sonstigen physischen Raum etc. eingesperrt und anfassbar zu finden - oder?). (von den LeserInnen meine ich - dass es andere gibt, ist mir bewusst, aber die lesen vermutlich nicht in Auers weblog).


Paradoxerweise hat mich die – noch vorgestern von mir kritisierte - „Tagesschau“ zu diesen nächtlichen blog-Reflexionen verleitet (und, nicht zu vergessen, natürlich auch die Kommentare – danke!).