Nachtrag zu Nazivergleichen

Ich stimme Fritz Simon zu: Nazivergleiche sind immer blöd. Weder ist Eva Hermann mit Eva Braun gleich zu setzten, - einen dümmeren Vergleich gibt es gar nicht, - noch allerdings die Nazis mit der Glorifizierung der Mutterrolle.


Dieser Slogan ist doppelt unzulässig:


Man kann kein Lebensprinzip, weder als so genannte Errungenschaft der Nazis, noch dessen Betonung, als Ausdruck von deren Bösartigkeit, als fragwürdig aus dem Lebenszusammenhang herausisolieren.


Diese Diskussion läuft völlig schief. Nicht nur, weil die Verbrechen der Nazis in ihrer Dimension (fast) unvergleichlich sind, sondern weil mit solchen Vergleichen die schiere Positivität Leben erhaltender Strukturen und lebensnotwendiger Selbstverständlichkeiten, mit nun scheinbar gutem Grund, desavouiert wird .


Nazivergleiche sind deshalb gefährlich, weil der Aufruhr, den sie nach sich ziehen, das, was gegenwärtig vor unseren Augen mit unserer Zustimmung passiert, verharmlost und verdeckt.


Unhintergehbaren Grundlagen des Lebens werden zu Gunsten von unbedachten oder fremdgeleiteten Lebensplänen, mediengesteuerten Augenblicksgelüsten und ihren Momentanbefriedigungen preisgegeben und niemand sagt mehr was dazu, womöglich nur, um nicht als Ewiggestriger zu gelten.


Nazivergleiche verniedlichen, beidseits, was an, in gewisser Weise neuartigem und bis dato in seinen verborgenen Zusammenhängen oft weitgehend unbeschriebenem, sehr lebendigem, alle Lebensbereiche durchziehenden Globalfaschismus der Fall ist.


Nazivergleiche fordern das öffentliche Wutschnauben derer heraus, denen es willkommen ist, von gegenwärtigen Problemen, Zu- und Umständen abzulenken, die sie gern unterm Teppich wissen.


Zu den sich in die Brust werfenden gehören - unter anderem - vereinzelte so genannte Karrierefrauen, ein Heer von profitierenden Journalisten/Innen, vor allem jedoch zeitgeistverwirrte Frauen und zeitgeistverwirrte Männer, die sich brennenden Fragen nicht stellen, weil die ihre ganz persönliche Lebensplanung hinterfragen könnten. Sie desavouieren anders lautendes Denken, wenn dies, aus heiterem Himmel, den persönlichen und/oder gesellschaftlichen wunden Punkt berührt, mit jedem nur denkbaren Mittel.


Dem Zustand, der nach Hinschauen schreit, liegen individuelle und gesellschaftliche, miteinander verquickte, Zwänge und aufrechterhaltene Tabus zu Grunde, die keinesfalls harmlos sind.


Sie verdecken die Tatsache des Verlustes wesentlicher Lebensqualitäten, das Vorhandensein lebensbedrohlichen, gemeingefährlichen gesellschaftlichen Verhaltens und Denkens und das individuelle Ablehnen der vollkommenen Umwandlung und Neugestaltung von Eigeninteressen.


Unsere Kinder und Enkel und Urenkel werden uns danach fragen, wie wir unsere Eltern fragten, ob wir nicht bemerkt und gesehen haben, was unter unseren Augen, geschützt und verdeckt und erstickt durch diverse Denkverbote und gefährliche Tabus, vor sich geht. Dessen wirklich dümmstes die Berufung auf die so genannte persönliche Freiheit ist. Vielleicht besteht unsere Freiheit ja einzig darin, mit unserer Freiheit kritisch umzugehen?