Monoperspektive

**R. Gordon Wasson**

„Ekstase! Im gewöhnlichen Sprachgebrauch meint das Spaß. Aber Ekstase ist kein Spaß. Dein ganzes Wesen wird gepackt und erschüttert bis es bebt. Letzten Endes: wer würde sich freiwillig dafür entscheiden unverdünnte Ehrfurcht zu empfinden? Der unwissende vulgäre Gebrauch des Wortes; wir müssen seinen vollen und erschreckenden Sinn zurückerobern.“


Vor dem Deutschland-Ecuador-Spiel gestern eine kurze Einheit mit dem „Filmteam“ gemacht, der kleinen Theater-AG eines ländlichen Gymnasiums. Eine von zwei Gruppen, die wir seit einem Monat für die Produktion eines edukativen Films über legale und illegale Drogen trainieren.

Banal, aber immer wieder erstaunlich wie verschieden Schulen, ihre Atmosphären, der Habitus ihrer Schüler sind. Hier haben wir die „Braven“ und „Naiven“, zumindest in der Theater-AG, während sich in der zweiten, städtischen Gruppe die Erfahrenen, Draufgänger, Grenzsucher und Provokateure sammeln. Wir brauchen beides für das Projekt. Hier und dort 14-18jährige.

Gestern wenig gespielt, mehr diskutiert. Informationsbedarf, Neugier. Über Rausch und „Ekstase“, über Risiko und Wagnis reden. Ich frage sie erstmal: „Warum wird das Thema eigentlich immer zur Kicherstunde?“ Antworten sind gut: Ambivalenzen. Angst, Respekt, Neugier und Hingezogensein, „wie beim Thema Sex“, außerdem sei es Tabu, auch bei Lehrern.

Übrigens sei ich gerade an einigen sekttrunkenen Abiturienten ihrer Schule vorbeigekommen. Das passt also. Ich rede mit ihnen über einige Zahlen, auch meine eigenen, im Vergleich der zwei Schulen: Dass hier am ländlichen Gymnasium vergleichsweise kaum weniger, nur etwas später und weniger hochfrequent „gekifft“ werden würde. Ich frage sie, warum das wohl so sei?


Die verschiedenen Gruppen und „Typen“ kommen nicht miteinander in Dialog. Von Erwachsenenseite vor allem Monoperspektive: Risikoblick, Angstmache, Drohung, Abwehr, Pauschalität. Immer noch! Von Jugendlichen Experimentierern entweder auch Monoperspektive: Harmlos, geil, cool, relaxed. Häufig aber auch differenzierteres Abwägen als bei den Erwachsenen.

These: Unsere „Suchtprävention“-Botschaften sind auch deshalb so wirkungslos, weil wir uns nicht die Mühe (und den Mut) machen Zielgruppen zu differenzieren. Beispiel: Schüler, die mit 14 bereits im introvertierten Selbstmedikations-Modus mit Cannabis laufen, haben selten viel gemein mit den grenzsuchenden Kampfsäufern.


Hier tut Systemisches not. Perspektivenwechsel. Verstörung von Konzepten, Handlungen. Mehr Reflexion über die Funktionalität dieser Handlungen.


Interessant: Obwohl nur eines von vielen in der Adoleszenz, ist es ein gutes Thema, weil man die Schüler recht einfach „kriegt“, echtes Interesse erweckt. Davor haben viele Eltern und Lehrer wohl Angst.

Interessant: Es wird fast nur – gerade in den Suchtpräventions-Materialien - über die Stoffgruppen (Alkohol, Tabak, Cannabis, Ecstasy usw.) und deren Toxizität geredet. So gut wie nie über die damit assozierten Zustände, die „Erfahrungen“. Auch das: eine Primitivierung unseres Verständnisses dieser Phänomene.

Oder?