Maturana

Heute hat Humberto Maturana Geburtstag. Er wird, wenn ich recht informiert bin, 83 Jahre alt.


Grund, ihm hier und auf diesem Wege nicht nur zu gratulieren, sondern auch, ihn und sein Werk hymnisch zu besingen.


Denn ich finde, dass sein Beitrag zur Entwicklung des systemischen Denkens bahnbrechend war, und in seiner Wirkung wahrscheinlich wichtiger als der von Niklas Luhmann: Viele der (auch für die Arbeit Luhmanns in den letzten 20 Jahren seines Lebens) zentralen Konzepte und Denkfiguren stammen von Maturana.


Das bezieht sich zunächst einmal auf das Autopoiese-Modell, durch das m.E. das Verständnis von Lebensprozessen bzw. all der Prozesse, die Leben voraussetzen (psychische und soziale Prozesse), sich radikal verändert hat.


Untrennbar damit verbunden sind die daraus abgeleiteten Konzepte der operationalen Schließung, der Sturkturdeterminiertheit, der strukturellen Kopplung, der Perturbation, der Unmöglichkeit instruktiver Interaktion, der Konversation, des struturellen Driftens, des Verständnisses der Funktion von Kommunikation als Koordination von Handeln, der Sprache als Koordination der Koordination von Handeln und vieler mehr.


Ohne all diese Konzepte wären Konstruktivismus und Systemtheorie heute nicht auf dem Stand, der sie so erfolgreich macht.


Auch wenn Maturana nie damit einverstanden war, wie Niklas Luhmann sein Autopoiese-Konzept verwendet, so wäre die Luhmannsche Systemtheorie heute sicher nicht so interessant, wie sie ist (und ich bin im Blick auf die Verwendung des Autopoiese-Begriffs hier ganz auf Luhmanns Seite).


Es ist höchste Zeit, dass Humberto von all seinen Epigonen (zu denen ich mich durchaus rechne) angemessen anerkannt und gewürdigt wird. Er ist einer der sprichwörtlichen Riesen, auf deren Schultern wir stehen, so dass wir - falls wir denn wirklich weiter sehen sollten als sie - dies allein ihrer Größe verdanken. (Beruhigend ist für uns alle, die wir uns da auf seinen Schultern versammeln, dass Luhmann auch da steht - und das ist ja keine schlechte Gesellschaft).


Da ich Humberto Maturana seit Mitte der 80er Jahre kenne, als er mehrfach in Deutschland war, seinen Charme und seine Präsenz zu schätzen gelernt habe, freut es mich, dass er im November nach Deutschland kommt (Carl-Auer-Akademie - siehe dort).


Auch für die jüngeren Kollegen eine Chance (hoffentlich nicht die letzte), ihn live zu erleben und zu sehen, dass der Autor mindestens so attraktiv ist, wie seine Schriften und seine Ideen.