Männergruppe

Gestern Männergruppe. Ein Männergesangverein. Als bekennender Landbewohner kenne ich das Problem nicht, keine Männergruppe zu haben. Die Menschen, mit denen gemeinsam ich jeden Montag Abend - wenn es berufliche oder familiäre Prioritäten zulassen - zur "Singstund" (Gesangsprobe) zusammenkomme, gehören den verschiedensten Berufs-, Alters-, Polit-, und sonstigen Vorurteilsgruppen an. (Förster, Ingenieure, Braumeister, Pfarrer, Dreher, Schreiner, Formenbauer, Architekten, Logopäden, Zimmerer, aktive und ehemalige Gemeinderäte undundund). Manche sogar mehreren. Ich selbst zum Beispiel auch. Und diese Begegnungen regen zuweilen an, eine dieser Gruppen zu wechseln oder zumindest auszuprobieren, wie das wäre, wenn man mal über dies oder jenes anders denkt und entsprechend lebt.

So ist diese Männergruppe, wie es sich für gute Männergruppen gehört, auch eine sehr gute Lerngruppe. Dort habe ich erfahren, wessen es bedarf, Schuhe doch noch reparieren zu können, die sonst den Weg alles Irdischen gegangen wären, oder wie man ein Wildschwein gut zubereitet und warum es wichtiger sein kann, das Fleisch eines Rehbocks zu haben als sein Gehörn - was nicht alle so sehen, wird dort gesagt - oder wo derzeit eine Wohnung zu mieten wäre, die ich dringend suchte und die genau das bereit hielt, was es zum friedlicheren Familienleben brauchte, oder wie man Bier braut (jetzt habe ich ein klares Bild davon, was ein Läuterungsprozesß ist), Schnaps brennt oder Obstbäume schneidet oder eine alte Honda Dax aus den Siebzigern fahrbereit macht, oder was der Sinn eines Lebens ist; und ich habe mal dargelegt, wie es wäre, zu denken, daß die Bedeutung einer Nachricht der Empfänger bestimmt. Philosophie, Schuhmacherei, Rinderzucht sind nur drei von vielen Wegen, das Leben zu verstehen und besser auszuhalten. Und dann singen wir ein altes Tiroler Berglied, ein kroatisches Volkslied, einen Spiritual in dem nur Männerchören eigentümlichen tonalen Spektrum.

Ich bin froh darüber, mit diesen Menschen Leben teilen zu können. Heute haben wir unser Beisammensein nach der musikalischen Probe nicht zu sehr ins philosophische Nachtcafé ausgedehnt. Rein zeitlich gesehen. Aber wir haben große Themen der Organisationspsychologie diskutiert: Führungsqualitäten von Vorständen und musikalischen Leitern und die Frage, wie man spürt, wo ein Team hin will. Könnte ich mir schon wieder einen Kongressvortrag sparen. Oder einem eigenen Besseres beifüttern als ich zuvor angenommen hätte.


Als ich noch Restaurantleiter war, bot sich mir zur Meditation manchmal in den kurzen Nachmittagspausen im Wäsche- und Mangelraum ein Lüftungsrohr an. Auch nicht schlechter als eine Lotusblüte. Und genauso wunderschön. Mindestens.