LKW Werbung

Seit ich ein Marketingprojekt für ein Unternehmen mache, habe ich eine neue Beschäftigung bei langen Autofahrten: Die Werbung auf den LKW lesen und dort nach Anregungen suchen. Das ist eine kurzweilige Beschäftigung, bei der die eine Hälfte des Gehirns im Leerlauf bleiben kann – oder eben beim Steuern des PKW.

Es ähnelt dem Warten auf den Film im Kino. Da plätschern die Werbespots vorbei, ich freue mich auf den Film und knabbere Süßigkeiten und Werbespots: „Hm, das saure Lakritz war lecker – und diese Entsorgungswerbung ist einfach nicht witzig...“

An der LKW Beschriftung und Werbung ist mir auch einiges klar geworden. Man übt sich darin, in kürzester Zeit zu verstehen, wie die Marketing- oder Werbefritzen der beworbenen Unternehmen denken, welche Perspektive sie einnehmen, was sie bei den Adressaten voraussetzen und was sie zu transportieren gedenken.


Im Grunde ist ja Werbung ein hervorragendes Umsetzungsfeld für die systemischen Fragen. Wer Werbung macht, ist ganz direkt darauf angewiesen, die Perspektive der Kunden vorweg nehmend in die Werbung einzubauen. Hart ist hier, dass sich keine Verständigungsschleife direkt anschließen lässt: der LKW ist maximal 3 Sekunden lese-scharf im Blickfeld; was dann nicht rüber gekommen ist, ist weg.


Nun, meine LKW Analyse zeigt: es gibt noch nicht so viele Systemiker unter den Werbern. Was einem da manchmal an Logo- und Zeichen-Kuddelmuddel angeboten wird oder an nichts sagenden Sprüchen, die mehr verwirren als Inhalt des Geschäfts vermitteln, ist enorm. Einige Werber würde ich gern mal fragen: „Was denken sie, was der Kunde bei diesem Werbespruch für Assoziationen zu Ihrem Unternehmen hat?“ oder „Was glauben sie, sieht der Kunde in diesem Arrangement von Logos, Bildern und Sprüchen?“ oder auch „Soll der Kunde etwas über ihr Geschäft erfahren oder hat die Konzernspitze Sie gezwungen, alle Logos und alle Sparten aus den erfolgten Fusionen auf den LKW zu schreiben?“ Gut, die letzte Frage eignet sich nicht für einen Gesprächseinstieg, macht für Sie aber klarer, was ich meine;-)


Zunächst einmal unterscheide ich zwischen den LKW, die einfach die Spedition verkörpern zu der sie gehören und den anderen - dazu siehe unten. Bei den Speditions LKW gibt's meist ein Logo und/oder einen Namen und manchmal noch einen Spruch. Wer hier positiv auffält sind die Speditionen mit den guten Sprüchen.


Mein Favorit ist hier der Spruch einer Spedition: „Wir fahren Gut“. Eine nette Kombination aus der Erfüllung des Sicherheitsbedürfnisses für Kunden und gewitztem Sprachspiel. Diese Werbung ist inhaltlich kohärent zum beworbenen Geschäft und es wurde vom Kunden her gedacht. Positiv in Erinnerung habe ich auch den Spruch „Alles erreichbar“. Die Kohärenz und Knappheit, mit der die beworbene Speditionskompetenz hier für den Betrachter klar wird, finde ich sehr gelungen.


Die zweite Kategorie LKW bewirbt die Unternehmen, deren Ware sie ausfährt.


Darunter finden sich einige Werbungen, denen es gelingt, ein großes Staunen in mein Gesicht zu zaubern und mich noch weitere 2 Kilometer zu beschäftigen. Mit der Frage: „Wofür wollen die denn nun werben?“ Typisch ist hier ein Name, der nichts über das Geschäft verrät (z.B. Müller), ein grafisches Logo, das auch nichts über das Geschäft verrät (Balken, geschwungene Linien, Kreise) und ein Spruch wie z.B. „Wir stehen für Qualität“ oder „Excellenz ist unser Geschäft“ oder „Die Zuverlässigen“. So weit hat man noch nichts Inhaltliches erfahren. Das kann man dann noch damit toppen, dass an der Flanke des LKW ein Drei(!)zeiler beginnt, der die Sparten oder Produkte aufzählt. Bei 180 auf der Überholspur kann man vielleicht die zwei bis drei Anfangswörter noch gerade erkennen, „wir produzieren frische Be...“ dann beginnt sich der Sinn fast zu enthüllen – und dann ist man schon vorbeigesaust.


Das ist alles in gewissem Sinne wohl überlegt und gut gemeint, die Perspektive des ahnungslosen Betrachters kommt dabei aber zu kurz. Man hat einen flotten Spruch mit wünschenswerten Qualitäten und gibt eine Übersicht über das Produktangebot. Nur kommt es nicht an, wenn der LKW nicht gerade steht und man daran vorbeispaziert. Es wurde nicht konsequent vom Kunden und der beweglichen Werbesituation her gedacht, wenn man im Fahren keine Chance hat, etwas über das Unternehmen zu erfahren und mit dem Namen zu verbinden.


Dann ist da noch die Botschaft des Werbespruchs, z.B. „Wir stehen für Qualität“. Darin mag sich das Unternehmen mit seiner Philosophie wiederfinden, nur ist damit die Möglichkeit verschenkt, mit einer kohärenten oder besser noch konvergenten Botschaft zu vermitteln, was das Unternehmen macht. „Wir stehen für Qualität“ passt zu Automobilherstellern genau so gut oder schlecht wie zu Biobauern, Versicherungen oder Schreibwarenherstellern. Nur wer schon bei allen bekannt ist, wie z.B. eine der großen Fastfood Ketten, kann sich reine „Image-Sprüche“ gut erlauben, die nichts mehr an Inhalt vermitteln sollen. „Ich liebe es“ ist derzeit so ein Spruch. Was man nicht alles lieben kann. Aber wir wissen alle, was gemeint ist.