Liao Yiwu

Gestern Abend war im Deutschen Theater in Berlin diesjährige Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels zu Gast. Nach einer Lesung aus seinem neuesten Buch, das sich mit dem Massaker am Tian Anmen-Platz 1989 beschäftigt, - Ulrich Matthes hat gelesen - wurde der Autor von Birgit Löffler befragt...


Was ich beeindruckend fand, war die stille Resignation von Liao. Er sagte, dass viele derjenigen, die 1989 inhaftiert worden waren, gehofft hatten, nach ihrer Entlassung sei alles besser. Aber sie würden sich jetzt als "Müll der Gesellschaft" fühlen, da die jungen Leute überhaupt nicht wüßten, was damals in China passiert ist, und sich generell fast alle Leute nur noch für Geld interessieren.


Dennoch war er - und das schien ein Zeichen der Hoffnung - davon überzeugt, dass China - das Imperium - auseinander brechen wird. Es gab schon Zeiten in der Historie, da bestand China aus 70 unabhängigen Reichen. Auch jetzt seien die kulturellen Unterschiede zwischen den Regionen so groß, dass ihnen eine zentralistischen Politik nicht gerecht werden kann.


Ich erinnere mich, dass die Teilnehmer meiner Seminare in China, die aus mehr als 20 Provinzen und/oder autonomen Regionen kamen, sich gegenseitig nur durch die Nutzung von Schriftzeichen verständigen konnten. Sie malten sie sich in die Handfläche, wenn sie von ihrem Gegenüber nicht verstanden wurden.


Liao bzw. sein Gesichtsausdruck schien während der ganzen Veranstaltung erstarrt. Seine vier Lehrmeister, so sagte er, seien gewesen der Hunger, die Schande, die Obdachlosigkeit und das Gefängnis.


Er lebt jetzt im Exil. Ein schlimmes Schicksal für jemanden, der sich als Volksschriftsteller sieht.


Als er am Ende der Veranstaltung einen überschwenglichen Applaus bekam und mehrmals auf die Bühne musste, da löste sich seine Mimik. Er lächelt, irgendwie verlegen und glücklich. War nett anzusehen...