Lesen, lesen, lesen

PISA E hat es erneut offenbart: Im Lesen sind die deutschen Fünfzehnjährigen noch immer besonders schlecht. 20 Prozent von ihnen können nach wie vor nicht richtig lesen, haben zu wenig Textverständnis. Auch sieben Jahre nach PISA I, als diese Nachricht erstmals ganz Deutschland geschockt hat. Das ist für mich einer der bedenklichsten Befunde der neuesten Untersuchung: Kein Fortschritt im Leseverständnis.


Erstmals rührt jetzt der deutsche Koordinator der aktuellen PISA-Studie Manfred Prenzel an diesen wunden Punkt und fordert, was schon seit Jahren selbstverständlich sein müsste: In allen Schulen der Sekundarstufe I muss Lesen weiter geübt und trainiert werden. Schließlich lernt man Lesen nur durch Lesen. Üben, üben, üben! Und erst wenn es wirklich beherrscht wird, macht es dem Leser auch wirklich Freude. Es muss darum einfach mehr Zeit im Unterricht eingesetzt werden für die praktische Pflege der Kulturtechnik Lesen. Das kostet Zeit und neue Ideen, um diese Anforderung in sinnvolle Aktivitäten der Lernenden umzusetzen. Und Zeit kann leicht dadurch gewonnen werden, dass der leider noch immer vorherrschende Frontalunterricht mit seiner Dominanz an Lehrersprechzeit zurückgefahren und der Anteil der Schüleraktivität erhöht wird. Schüler müssen im Zeitmanagement des Unterrichts mehr Zeit bekommen. Nicht zum ebenfalls weit verbreiteten unverbindlichen Gelaber, sondern zum praktischen und intensiven Training der Fertigkeit des kultivierten Lesens. Dazu muss unbedingt auch die Erfassung des Inhalts trainiert werden, um das Leseverständnis endlich zum wichtigen Lerngegenstand zu machen.


Lesen ist eine höchst komplexe Leistung, deren Entwicklung sich in jedem Gehirn vollziehen muss. Dabei wachsen komplexe neuronale Strukturen. Warum ist noch kein Forscher hierzulande auf die Idee gekommen, einmal wissenschaftlich zu untersuchen, wie lange genau, also wie viele Stunden, ein durchschnittlich begabter Mensch gelesen haben muss, um die Technik zu beherrschen und gleichzeitig den Inhalt zu verstehen und zu behalten? Aus den Ergebnissen solcher Forschung ließen sich handfeste Forderungen an einen weiter zu entwickelnden Unterricht gewinnen, der den Kulturtechniken den gebührenden Raum verschafft.


Das Land Rheinland-Pfalz beweist Initiative: Diese Woche gibt es Tage des Lesens (19. Bis 21. November). Sie wollen die „Leselust in Rheinland- Pfalz“ fördern. Dazu war schon seit geraumer Zeit getrommelt worden, so dass es in diesen Tagen eine Fülle von Aktivitäten quer durchs Land gibt. Gut so! Aber es darf nicht beim kurzzeitigen Aktivismus bleiben. Die Leseförderung in der Schule braucht geduldige und stetige Aktivität über lange Zeit. In jeder Schule. Nur dann wird das dringend erwünschte Ergebnis erreicht: 100 Prozent Lesefertigkeit mit gutem Textverständnis bei allen Fünfzehnjährigen.