Lächeln Verboten

Deutschland ist wieder Spitze. Ab heute führen wir als Vorreiter in Europa den biometrischen Reisepass ein. Ich wurde in der DDR geboren und freue mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich meinen Reisepass in der Hand halte. So was gab’s nämlich für den Normalsozialisten nicht.


Bei einem meiner ersten Kontakte nach der Wende traf ich einige Leute aus Wolfsburg, die mit leuchtenden Augen davon erzählten, wie sie damals gegen die Einführung des maschinenlesbaren Personalausweises demonstriert hatten. Da wurde richtig mit Wasserwerfern gearbeitet. Die Teilnahme an einer solchen Veranstaltung hatte durchaus für alle Beteiligten Unterhaltungswert.


Aber irgendwie ging es auch noch um ideelle Werte. Der gläserne Bürger schien die persönliche Freiheit einzuschränken. Ich war eigentlich ganz froh über das bisschen Freiheit, was wir uns gerade in Leipzig erdemonstriert hatten, und den (west)deutschen Personalausweis bzw. Reisepass fand ich auch ganz in Ordnung. Immerhin konnte man damit ungehindert das Land verlassen, ohne sich vorher beim Abschnittsbevollmächtigten (ABV) abzumelden.


Der neue Pass soll uns nun wieder die Freiheit bringen. Die wird ja uns ja pausenlos von Terroristen weggenommen. Damit alle Bösewichte gleich schnell erkannt werden können, werden die Gesichtszüge digital erfasst und im Ausweis gespeichert. Niemand kann da mal Ausweise tauschen gehen oder sonst irgendwie mogeln.


Natürlich sind alle davon überzeugt, dass die Daten auch auf lange Sicht nur auf dem Ausweis gespeichert werden. Nicht, dass ich dann auf einer Demonstration gegen – sagen wir mal eine Volkszählung – videografiert werde (so heißt das), und dann gleich mit Bilderkennung und Datenbank namentlich dokumentiert bin.


Aber eine Hoffnung haben wir ja noch: Auf den neuen Passbildern wird man frontal fotografiert, und man darf nicht mehr lächeln. Das würde die elektronische Bildverarbeitung stören. Ich gehe also weiterhin einfach lächelnd durch das Land. Denn mit einem Lächeln scheint sich das Terroristenabwehrsystem ja noch austricksen zu lassen. Und Terroristen lächeln ja bekanntlich nie.