Kryptische Welt

Eigentlich hatte ich ja darauf gehofft, irgend einen Kommentar zur Psychopathie zu lesen, aber offensichtlich sind Konstruktivismus und Luhmann ungleich spannender. Daher erspare ich mir und Ihnen fürs erste weitere Spekulationen zu ersterem und versuche meine kurzen Statements etwas zu entkryptisieren.


Was verstehe ich unter Kausalität? Natürlich etwas konstruiertes, aber etwas notwendig konstruiertes. Notwendig heisst hierbei allerdings nicht – wie etwa bei Kant – auch notwendig „a priori“ vorweggegeben; aber offensichtlich lässt sich bei allen Menschen ein kausales oder zumindest korrelatives Ordnungsinteresse beobachten. Wunderschön beobachtet ist dies sicherlich bei Piaget: Begonnen mit magischen Kausalannahmen zu verstandenen möglichen Objektmanipulationen im Sinne einer „faktischen“ Kausalität bis hin zu Dezentrierungsakten, die in Richtung auf eine systemische Sichtweise hindeuten und vor allem auch darauf, dass wir Beziehungen kausalisierend vereinfachen, die als solche nicht unbedingt kausal sind. Ganz kurz schliesse ich mich einer philosophischen Tradition an, die irgendwo bei Hume beginnt und bei den Kybernetikern letztlich auch erweitert wird. Als aktuelleren Autoren habe ich Mario Bunges Kausalitätsstudie stets sehr gemocht.


Ja, und ist Konstruktion gleich Beliebigkeit? Ich glaube, da haben Sie mich ein bisschen zu schnell gelesen, lieber Herr Simon, ich versuchte doch ausdrücklich auf einen falsch verstandenen Konstruktivismus hinzudeuten und fühle mich da ganz gut aufgehoben im Konsens mit Leuten wie Heinz von Foerster, die ebenfalls immer mehr Skepsis bezüglich des Begriffes äusserten, eben weil sich unter dem Begriff der „Konstruktion“ viel disparates unter einem nur scheinbar einigendem Dach vereint. Ich würde da immer gerne daran erinnern, dass Konstruktivimus ursprünglich auch eine Bewegung in der Architektur in den 1920ern. bedeutete. Und ein jedes, auch noch so tolles Bauwerk benötigt nun mal ein solides Fundament. Ich möchte mich damit vor allem gegen dieses Getue wehren, dass alle Aussagen „irgendwie“ ihren Wert und ihre Richtigkeit hätten und dass alles halt relativ wäre etc. Keine Sorge, damit ist keiner der beiden Kommentatoren meiner Blogs angesprochen.


Und nein, viabel ist keinesfalls beliebig. Das behauptete ich ja auch so nicht. Ich sehe mich dennoch im tendenziellen Dissens mit den Glasersfeldschen Kriterien (zugegebenerweise: ohne behaupten zu wollen, bessere anzubieten). Aber gangbar ist zu wenig, wie mit dem benannten Beispiel gezeigt. Was haben X Jahrhunderte Aufklärung denn an Ergebnis, wenn wir am Ende eine wort- und kommunikationslose Vielfalt von Meinungen haben?


Damit bin ich natürlich bei Luhmann angekommen. Meinen herzlichen Dank für die vielen Luhmannzitate, aber leider war mein entsprechendes Lieblingszitat in den S.S. leider nicht mit dabei – und ich habe das Buch auch gerade nicht mit, kann daher nur sinngemäss zitieren, dass Luhmanns Systemdefinition Systemgrenzen ausdrücklich auch quer zu Kausalgrenzen konstruiert. Das steht eher am Anfang der Sozialen Systeme. Und eben dieser Systembegriff ist es, der wiederum quer zu Foerster, Maturana, Bateson und anderen steht. Mehr nicht. Mehr will ich hierzu eigentlich auch gar nicht sagen, nur eben das eine, das man nicht beide Begriffe unreflektiert in eine Schublade schieben sollte. Vielleicht dazu nur noch eines: Ich bitte einen jeden eifrigen Luhmannleser mal genauer zu studieren, wie Luhmann den Zusammenhang zwischen „Kybernetik 2. Ordnung“ und „Beobachtung 2. Ordnung“ weiter auflöst. Die beiden Begriffe stehen für gewöhnlich nebeneinander, letzterer wird auch bei Luhmann nicht aus ersterem abgeleitet, auch wenn das manche glauben. Aber das war jetzt wirklich genug zu Luhmann. Vielleicht fällt mir morgen wieder was zur Psychopathie ein. Unserer Konstruktionen bzw. RE-Konstruktionen der „Welt“ sind jedenfalls nicht beliebigt. Sie sind sozial und materiell gebunden. Und die Art dieser Bindung ist durchaus wissenschaftlich etwas ziemlich spannendes. Denn einerseits besteht diese Bindung oder Koppelung, andererseits aber unterscheiden sich diese Konstruktionen dennoch alle, und zwar notwendig. Warum notwendig?