Korruption

Vor ein paar Tagen war ich in eine Diskussion über Korruption in den Wissenschaften verwickelt. Ein spannendes Thema. Denn es ist ja gar nicht so einfach, Korruption von Wissenschaft zu definieren. Es geht ja meist nicht darum, dass irgendwo ein Mann mit einem Koffer voll Geld vorbei kommt und Forschungsresultate kauft. Promotionen, ja, das gibt es offenbar oft (KT). Honorarprofessuren sind auch sehr beliebt.


Aber das ist es nicht, was meines Erachtens die Korruption in den Wissenschaften bestimmt. Denn die läuft viel subtiler ab, und ihre Mechanismen werden üblicherweise nicht als Korruption kategorisiert. Es geht darum, dass Selektionskriterien für und von Forschungsthemen und Forscherkarrieren beeinflusst bzw. gekauft werden.


Das mir vertrauteste Beispiel ist die Psychiatrie. Vor 30 Jahren gab es an Universitäten noch Psychiatrie-Ordinarien, die sich nicht als Biologen verstanden. Heute scheint mir das anders. Da man als Wissenschaftler nur Karriere machen kann, wenn man forscht, und da man nur forschen kann, wenn man Geld (Drittmittel) hat, bestimmt die Pharmaindustrie mit ihren reichen Gaben, worüber man forscht. So bedarf es keines einzigen korrupten Menschen, um das System über die Jahre hin auf die biologische Psychiatrie zu orientieren... (ich brauche das wohl nicht weiter auszuführen, habe darüber hier auch schon oft genug gejammert).


Wenn man das so betrachtet, dann muss man - wie ich finde - Korruption noch mal (zumindest muss ich das für mich) neu definieren, und zwar systemtheoretisch. Ich würde da an der Unterscheidung der Funktionssysteme beginnen. Alle brauchen Geld, aber für die Wissenschaft (wie auch für die Kunst, das Rechtswesen, die Politik usw.) geht es eigentlich um etwas anderes, d.h. sie haben nicht Geld als primäres und charakteristisches Steuerungsmedium. Geld begrenzt zwar als relevante Randbedingung (Umwelt) die Möglichkeiten (d.h. definiert negativ = was unmöglich ist), aber es darf eigentlich nicht positiv definieren, wie entschieden wird. Die unterschiedlichen Funktionssysteme und ihre Steuerungsmedien liegen miteinander im Konflikt, zwischen ihnen gibt es keine Hierarchie, keine Asymmetrie.


Mit Korruption haben wir es immer dann zu tun, wenn es zur Hierarchie-Bildung zwischen dem Funktionssystem Wirtschaft und anderen Funktionssystemen kommt. Wenn Geld zum Steuerungsmedium der Wissenschaft oder des Rechtssystems oder der Politik wird, dann werden wissenschaftlich Wahrheiten, Gerichtsurteile, politsche Entscheidungen etc. käuflich. Und dann kann auch ein System korrumpiert sein, ohne dass seine Teilnehmer korrupt sind (wie z.B. in der Psychiatrie - wie ich den lieben Kollegen mal zugute halten will).