Kollege Karadzic

Karadzic ist gefasst worden und er wird nun wohl dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag übergeben.


Ich bekenne mich als großer Anhänger solch einer internationalen Gerichtsbarkeit, da ich denke, diese Einschränkung nationaler Souveranität ist ein zivilisatorischer Fortschritt. Deswegen hoffe ich auch, dass Mugabe bald dort vorgeführt wird. Die Sicherheit gewalttätiger Despoten zu brechen ist - wo/wenn es gelingt - eine der großen Errungenschaften der Menschheit (natürlich an meinen Werten gemessen).


Im Privatbereich ist das (formal) ja schon länger der Fall. Hier kann auch der "Herr im Hause" nicht machen, was er will, sondern ist in seiner Freiheit durch die Normen der jeweiligen Gesellschaftsform eingeschränkt. Das sollte auch auf staatlicher Ebene der Fall sein (und man muss sich natürlich über den Inhalt solcher allgemeinverbindlichen Normen streiten und sie nicht einfach als gegeben hinnehmen).


Dass Karadzic gelernter Psychiater ist, gibt mir zu denken, überrascht mich aber auch wieder nicht. Denn gehört es ja zu den professionellen Verbildungen dieser Berufsgruppe, dass sie sich leicht zu irgendwelchen Säuberungen ("ethnic cleansing") verleiten lassen. Ob nun das abweichende Denken oder das ungewöhnliche (= schmutzige?) Fühlen von Anderen betrifft. Hier zeigt sich die schwarze Seite der Normativität. Wer sie vertritt und sich auf ihrer Seite fühlt, ist zu jeder Art der Despotie verführbar und fühlt sich dazu legitimiert. Als Psychiater, der möglicherweise noch die Strukturen einer Anstalt auf seiner Seite weiss, ist man da besonders in Gefahr. In kaum einem anderen Beruf kann man aufgrund seiner Rolle schon in jungen Jahren relativ viel Macht ausüben und erleben, wie sich das anfühlt.


Das der Kollege mit langem Bart und als Spät-Hippie verkleidet in Belgrad eine Praxis betreiben konnte, finde ich eher komisch. Wahrscheinlich kann man nur als Psychiater so seine Kunden finden (was nicht heißt, dass man nur so als Psychiater seine Kunden finden kann).