Köhler

Überraschung: Der Präsident tritt zurück - und das ohne plausiblen Grund.


Wie kann man das erklären?


Ich denke, es hat mit dem Dilemma des Politikers zu tun. Wer solch eine Laufbahn ergreift und - das ist der wichtigere Punkt - durchhält, muss sich eine Hornhaut auf dem Gemüt zulegen. Er muss ertragen, dass er nahezu täglich gekränkt, kritisiert, beleidigt, auf jeden Fall: beobachtet und (zumindest von der Hälfte der politischen Klasse) negativ bewertet wird.


Wer sich nicht in eine Art emotionalen Neoprenanzug zwängt, hält das nicht aus. So narzißtisch gefestigt ist kaum jemand.


Und wer es ist, erscheint meist nicht sonderlich sympathisch. Das merkt man daran, dass diejenigen, die solch eine Karriere durchlaufen, auf das gemeine Volk (=uns) oft egozentrisch, abgebrüht und zynisch, machtgeil und ignorant wirken. Wenn sie so nicht schon vorher waren, dann werden sie es durch die harte Schule der politischen Karriere. Deswegen ist das Ansehen der Politiker so gering.


Doch hier liegt das Dilemma. Wer Politik machen will, muss diese Kränkungen aushalten. Wer die Kränkungen aushalten kann, verliert aber den Kontakt zu den "normalen" Menschen, die Bodenhaftung.


Horst Köhler war bei der Bevölkerung beliebt, weil er nicht wie die anderen Politiker war - und weil er nicht wie die anderen Politiker war, hat er das nicht ausgehalten...


Doch dieser Rücktritt ist ihm vorzuwerfen. Denn er beschädigt das Amt. Wenn man sich auf solch einen Job einläßt, dann muss man Kritik und Widerspruch, ja, Verunglimpfung aushalten. Wer öffentlich kegelt, muss ertragen, dass die umgefallenen Kegel nachgezählt werden.


Offensichtlich hatte Köhler keine (oder zumindest keine guten) Berater. Eine loyale Ehefrau reicht in solch einem Job nicht. Man braucht ein Team von Leuten, die loyal aber kritisch und autonom sind, mit denen man sich streiten und auseinander setzen kann, die ihre Meinung vertreten und nicht katzbuckeln. Die politischen "Freunde" taugen dazu nicht. Offenbar hat sich Köhler um solch ein Team nicht bemüht.


Wer denkt, er könne als einsamer Held etwas bewirken, wird immer scheitern.