Körperkult vs. Revolution

Meine Gewährsfrau, was Südeuropa angeht, (Sizilianerin) berichtet von ihrem Besuch zuhause. Dort sind die ökonomischen Verhältnisse noch weit schlechter als in Griechenland, mehr als 50% Arbeitslosigkeit, bei den Jugendlichen noch mehr usw. Diejenigen, die nicht damit zufrieden sind, verlassen das Land.


Und der Rest? Der startet nicht etwa eine Revolution, sondern lebt ohne zu murren bei den Eltern von der Pension der Großeltern. Statt mit Politik beschäftigt man sich mit der Optimierung seines Körpers. Die Frauen haben entweder, wenn sie es sich leisten können, bereits Schönheitsoperationen hinter sich oder sie sparen darauf. Und die Männer sind damit beschäftigt, sich von der Sonne bräunen zu lassen, am ganzen Körper (außer am Kopf) ihre Haare entfernen zu lassen und sich Tatoos zuzulegen. Das Entfernen der Haare betrifft auch Augenlider und Augenbrauen, die nachdem sie entfernt wurden, mit Cajal und mit Stift gezeichnet werden.


Weitere handwerkliche Aspekte der wirklichen oder vermeintlichen Steigerung der jeweiligen körperlichen Attraktivität können hier weggelassen werden. Wichtiger scheint die Frage, ob die merkwürdige Akzeptanz des sozialen Ist-Zustands, d.h. die Abwesenheit aller revolutionärer Impulse, und die Fixierung auf den eigenen Körper etwas miteinander zu tun haben.


Meine These: Wo aufgrund erlebter Machtlosigkeit keine Hoffnung besteht, an der sozialen Situation (= gesellschaftlichen Verhältnissen) etwas zu ändern, fokussiert man seine Aufmerksamkeit auf den Bereich, in dem man eigene Macht erlebt und den man gestalten kann: den eigenen Körper. Und damit kann dann vielleicht auch die eigene soziale Situation - Finden des idealen Partners - optimiert werden...