Kippbilder

Kippbilder sind faszinierend, wie das bekannte Bild, das als Hase oder Ente zu sehen ist. Es wird daran deutlich, wie sehr wir durch Interpretation bestimmen, was wir wahrnehmen. Ähnlich gibt es auch philsophische Kippbilder. Man kann die Zeit erfahren als eine Art Linie oder Strom, auf der wir uns entlangbewegen (wobei es da wieder zwei Möglichkeiten des Blicks gibt: man kann nach hinten oder nach vorne schauen). Oder es lässt sich die Zeit erleben als etwas, das durch uns hindurchfließt. Wir stehen sozusagen im Zeitfluss, die Zeit fließt aus uns heraus oder durch uns durch. Eine (philosophische) Übung höherer Ordnung ist es dann, sich vorzustellen, beide Bilder zugleich zu sehen...


Ein anderes philosophisches Kippbild ist dieses: Ich kann die Welt so verstehen, dass ich und andere Menschen in ihr vorkommen, also Teil von ihr sind (Realismus). Genauso kann ich mir vorstellen, dass die Welt nur in mir vorkommt, also ein Teil von mir ist (Solipsismus). Unser Personbegriff ist genau der Versuch, hier ein Beides zu denken. Als Person bin ich das Kippbild, das Objekt in der Welt und zugleich als Subjekt Zentrum der Welt ist. Anders gesagt: weniger habe ich einen Körper, eher bin ich Leib.


Zu diesem Bild der Person lässt sich wiederum ein alternatives Bild denken: wie wäre es, wenn das Ich (meines, wie das jedes anderen Menschen) gar nicht existiert, kein Seiendes ist? Wenn also das Ich, das wer ich bin, gar nicht in die Welt gehört, genausowenig wie die Welt ins Ich? Welt wäre vielmehr das, was entsteht, wenn solche Ich-Wesen sich begegnen. Personen wären, wittgensteinisch gesagt, Grenzen von Welt. Und Systeme, biologische, psychische, soziale, die Inhalte der Welt, Ausdruck der Begegnung. Raum und Zeit ihre Medien.


Dieses Bild scheint mir die Grundidee des Werks von Emmanuel Lévinas zu sein. In dessen Büchern wird dieser ganz andere Blick auf die Wirklichkeit eingeübt. Ich meine, das hat noch Zukunft. Die Welt wird, so gesehen, sehr menschlich.