Kino

Eigentlich wollte ich hier über den Film „The Darjeeling Ltd“ schreiben, den ich gestern gesehen habe. Aber da kamen mir Bedenken, die Leser könnten den Eindruck bekommen, ich würde dauernd ins Kino gehen. Da dieser Eindruck richtig ist, wollte ich ihn zunächst vermeiden. Was sollen die denn denken? Hängt dauernd im Kino rum, hat der denn nicht zu arbeiten?


Also, um das klar zu stellen: Ich gehe allein aus fachlichen Gründen ins Kino. Ich schreibe nämlich für die „Revue für postheroisches Management“ (Habe ich für die schon geworben? Ein Muss für jeden, der in der systemischen Szene up-to-date sein will, was sonst!) eine regelmäßige Kolumne mit dem Titel „Hollywood“. Dort bespreche und analysiere ich Filme, die aus systemtheoretischer und/oder konstruktivistischer Sicht von Interesse sind. In kaum einem anderen Medium lassen sich die Grundprinzipien beider Theoriestränge besser darstellen und verstehbar machen. Denn im Kino kann nicht nur Realität bewusst konstruiert werden, sondern – wie in der konstruktivistischen Theorie behauptet – der Beobachter und seine Perspektive stehen im Mittelpunkt. Wer einen Film dreht, inszeniert ihn immer im Blick auf den Beobachter hin, d.h. er setzt ihn als hypothetischen Ausgangspunkt und setzt ihn und seine Möglichkeiten der Beobachtung als Prämisse aller Drehbuch- und Regie-Entscheidungen.


Daher können fast alle relevanten Themen der Systemtheorie und des Konstruktivismus – von abstrakten philosophischen Modellen bis zu praktischen beraterischen Tools – am Beispiel von Filmen erklärt und illustriert werden. Dies ist das heimliche Ziel der „Hollywood“-Kolumne in der Revue. (Dass man diese Filme dann auch zu didaktischen Zwecken nutzen kann, ist ein Nebeneffekt, den ich selbst seit Jahren in Seminaren etc. nutze).


Ich muss also oft ins Kino gehen (ich erwähne hier gar nicht alle Filme, die ich mir ansehe – manchmal vergesse ich sie unmittelbar nach Verlassen des Kinos, manchmal sind andere Themen interessanter...) und meine Motive sind allein altruistisch, d.h. ich verschreibe mich einem aufklärerischen Projekt...


Ob ich dieses Projekt noch zu Lebzeiten vollenden kann, weiß ich nicht, da die Revue nur zwei Mal im Jahr erscheint und ich schon Filme über Filme auf meiner Liste habe, die der Besprechung bedürfen. Und es kommen ja fast täglich neue hinzu.


Aber mein Motto lautet: Sollte morgen die Welt untergehen, so gehe ich heute dennoch ins Kino...